Kohle, Stahl und Industrie – Warum Künstlerin Amina Falah das Bild des Ruhrgebiets rekonstruieren will 

Mein Bild

Geht es ums Ruhrgebiet steht für viele auf den ersten Blick fest was schön und was hässlich ist. In ihrer Ausstellung „Pott á Porter“ zeigt Amina Falah aus Moers, dass das Ruhrgebiet beides gleichzeitig sein kann. Die Künstlerin sieht darin auch die Romantik der Region. 

STROBO:  Amina, du hast in deiner Ausstellung „Pott à Porter“ den Stil von jungen Menschen im Ruhrgebiet fotografiert. Was ist dir dabei aufgefallen?

Amina: Der Stil hier im Ruhrgebiet basiert darauf, dass junge Menschen das tragen, worauf sie Lust haben und wie sie sich fühlen. Auch wenn es so wirkt, als würde Modebewusstsein erst an zweiter Stelle kommen, wird die Kleidung so präsentiert, dass es nach außen modebewusst wirkt. Mir ist während eines Praktikums aufgefallen, dass dieser Stil besonders authentisch im Ruhrgebiet ist. Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei den Shootings für “Pott à Porter” habe ich gesehen, dass die jungen Menschen sich nicht verstellen müssen. Mir ist bewusst geworden, dass dieser Kleidungsstil das originale Ruhrgebiet ist. Natürlich ist es gerade auch ein Hype sich lässiger zu kleiden, doch hier wirkt es anders. Diesen authentischen Spirit habe ich besonders im Ruhrgebiet gespürt.

STROBO: Wann hattest du die Idee, junge Menschen im Ruhrgebiet und das, was sie tragen, zu fotografieren?

Amina: Während des Modepraktikums hatte ich die Idee das Thema aufzugreifen. Ich habe mich in meinen Fotografien auf Jugendliche konzentriert, weil viele Menschen im Ruhrgebiet immer nur dieses verstaubte Image im Kopf haben. Dabei geht’s immer um Kohle, Stahl und Industriekultur. Natürlich ist die Geschichte wichtig, aber langsam sollte man dieses Bild rekonstruieren. Ich bin hier aufgewachsen und habe den Eindruck, dass vergessen wird, dass die Jugend im Ruhrgebiet eine Stimme hat. Schließlich sind diese Klischees da und viele wagen nicht weiter zu denken und zu überlegen, wie es hier wirklich ist. 

STROBO: Einfach das zu tragen, was bequem ist, nennst du „Ugly Chic Look“. Inwiefern bespielt dieser Stil aber das Narrativ, dass im Ruhrgebiet alles hässlich ist?

Amina: Es ist ein Paradox. Der Ugly Chic Look steht genau dafür, wie das Ruhrgebiet gesehen wird: Hässlich und uninspiriert. Auf der anderen Seite kann es trotzdem schick und romantisch sein. Das kommt daher, dass es ehrlich getragen wird: Die Menschen kleiden sich so, wie das Bild vom Ruhrgebiet ist und schaffen dabei etwas, was auch das internationale Modeverständnis anspricht. Damit sind allgemein nicht gut sitzende Kleidungsstücke gemeint: Kleidung, die zu weit, also oversized ist, oder, dass man Socken in offenen Schuhen trägt. 

STROBO: Geht es jungen Menschen, die bewusst den Ugly Chic Look tragen, darum ästhetisch auszusehen? 

Amina: Es gibt natürlich Leute, die sich so anziehen, weil es modern ist. Aber letztendlich habe ich diesen Stil hier schon immer gesehen. Hier gehen viele Menschen alltäglich in Joggingklamotten einkaufen oder chillen so am Wasser. Die Motivation dabei ist Gemütlichkeit. Und junge Menschen  tragen das, was es schon immer gab. 

STROBO: Was meinst du genau mit dem, was es immer gab?

Amina: Mit allen Leuten, die ich für das Projekt fotografiert habe, habe ich kurze Interviews geführt. Da habe ich von vielen gehört, dass sie sich gerne an den Kleiderschränken ihrer Eltern bedienen oder viel Second Hand einkaufen gehen. 

STROBO: In deinen Fotografien legst du bewusst den Fokus aufs Banale. Du fotografierst Alditüten oder eine Limoflasche in einem Dior Täschchen. Liegt in dieser Banalität für dich die Romantik des Ruhrgebiets? 

Amina: Ja, absolut. Man muss sich die Details anschauen und einen Blick für die Einfachheit der Dinge erlangen. Es muss nicht immer alles luxuriös, pompös und groß sein. Man sollte kleinen Dingen mehr Beachtung schenken. Das kann dann auch eine Alditüte sein. 

STROBO: Gibt es abseits dieser Ruhrgebietsromantik andere Stimmungen, die du in den Fotografien einfangen möchtest? 

Amina: Mir ist es wichtig, dass man merkt, dass die Bilder eine gewisse Atmosphäre und eigene Geschichten in sich tragen. Jedes Fotoshooting ist für mich komplett anders. Das liegt daran, dass ich mich erst mit den Leuten unterhalte, um zu erfahren, worin ihre Interessen liegen und wo sie sich wohlfühlen. So hat jedes Shooting auch eine eigene Geschichte. Nicht zuletzt, weil ich die Leute auch manchmal in ihrem Alltag begleite. 

Das einzige Politische, was mir wichtig ist, dass man sich bewusst von diesem Klischeedenken löst.

Amina Falah

STROBO: Darüber hinaus zeigen deine Bilder kleine Häuschen mit Kleingarten, aber auch wie divers das Ruhrgebiet ist. Sind deine Fotografien politisch?

Amina: Meine Kunst ist bewusst sehr unpolitisch, weil es mich echt nervt, dass alles immer politisch sein muss. Alles wird in Schubladen gedacht. Wir bestehen alle aus demselben Material. Klar, haben wir unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Traditionen und Religionen. Aber es ist klar, dass das Ruhrgebiet sehr bunt gemischt ist, das muss man nicht nochmal einmal betonen. Das einzige Politische, was mir wichtig ist, dass man sich bewusst von diesem Klischeedenken löst.

STROBO: Zuletzt lief deine Ausstellung auf Zeche Zollverein. Amina, was steht bei dir als nächstes an?

Amina: Mit „Pott á Porter“ habe ich offiziell 2018 angefangen, das Projekt ist aber noch lange nicht beendet. Jetzt gerade mache ich eine kleine Pause, aber sobald ich ein bisschen Leerlauf habe, möchte ich weitermachen. Nach der Ausstellung habe ich sehr viele Anfragen erhalten. Die muss ich jetzt erstmal unter einen Hut bringen. 

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Diese 9 Acts aus dem Ruhrgebiet dürft ihr bei Juicy Beats nicht verpassen

Mein Bild
Mein Bild