Die Sängerin Paulinko bringt den Sound der Neuen Deutschen Welle ins Jahr 2023. Im Interview erzählt sie, wie ihr das gelingt, wie es für sie als Straßenmusikerin war, und wie sie sich für die Songs entschieden hat, die sie bei den STROBO:Sessions performt.
STROBO: Paulinko, der Neue Deutsche Welle-Vibe ist in deinen Songs unüberhörbar. Was bedeutet dir selbst Musik aus der Zeit?
Paulinko: Ich bin mit der Musik aufgewachsen und zu meinen Idolen gehören vor allem auch die Humpe-Schwestern – ob als „Ideal“, „Humpe & Humpe“ oder in der neueren Version „2raumwohnung“. Ich feiere diese ganze Epoche aber nicht nur musikalisch, sondern liebe den Style und das Freiheitsgefühl, was damals entstanden ist. Für mich gehen Musik und dieser Lifestyle Hand in Hand.
STROBO: Du hast auch mal gesagt, dass du „Blaue Augen“ von Ideal gerne geschrieben hättest – wieso genau den Song?
Paulinko: Ich finde den Song übelst frech und mag seine Attitude. Es geht darum, einen Fick darauf zu geben, was andere Menschen über einen denken – und keinen Wert auf kapitalistische Werte zu legen. „Ideal“ sind auf dem Boden geblieben und wollten nichts von dem ganzen Fame abhaben, obwohl das ihr größter Hit war. Ich finde den Gedanken schön, dass man immer die gleiche Person bleibt, egal wie viel Ruhm und Trubel um einen herum ist.
STROBO:Inside – Paulinko
Anna Pauline Kohn alias Paulinko (23) hat 2021 mit „Bis die Sonne aufwacht“ ihre erste Single rausgebracht. Auf der Bühne steht sie zusammen mit Lisa-Marie Bruynen, die die Drums spielt.
STROBO: Wie kann es funktionieren, die Neue Deutsche Welle -Ästhetik ins Jahr 2023 zu bringen?
Paulinko: Der Sound flammt ja zurzeit wieder auf – was jetzt wichtig ist, ist dass aktuelle Themen angesprochen werden, die uns zurzeit beschäftigen.
STROBO: Das machst du ja beispielsweise in „Komet“, in dem es um aktuelle Ängste geht.
Paulinko: Genau, „Komet“ handelt davon, dass man sich von Ängsten und negativen Gedanken mitreißen lässt, und ihnen einen so hohen Stellenwert gibt, dass es schwerfällt, sich nicht mit ihnen zu identifizieren. Im Song wäre es dann das Einfachste, wenn ein Komet auf die Welt schlägt, wodurch man auf einen Schlag von seinen negativen Gedanken hat.
Ich habe das Gefühl, dass psychische Probleme in den 1980er-Jahren noch nicht wirklich benannt wurden. Es wurde immer drumherum gesungen, die Probleme wurden aber nicht als Angststörungen oder Depressionen betitelt. Das kommt jetzt immer mehr. Und das finde ich wichtig, weil man sich dadurch nicht allein fühlt.
STROBO: Ist es dir ein Anliegen, auch selbst darüber zu singen?
Paulinko: Das kommt bei mir automatisch. Ich singe über Themen, die mir am Herzen liegen. Meistens mache ich Musik, wenn ich extrem glücklich oder traurig bin. Ich bin eine Zeit lang durch Panikattacken und Angststörungen gegangen, und dadurch habe ich zwangsläufig über diese Themen nachgedacht und geschrieben.
Paulinko bei den STROBO:Sessions: Hier seht ihr das Video
STROBO: Bevor du als Paulinko Musik gemacht hast, hast du dir eine Zeit lang als Straßenmusikerin Geld dazu verdient, wie bist du dazu gekommen?
Paulinko: Das war, als ich so 15 bis 17 Jahre alt war – da habe ich mich immer in die Innenstadt gestellt und Musik gemacht, teilweise auch in Hamburg. Das habe ich leider aus den Augen verloren, ich habe aber Lust, mich mit meiner E-Gitarre oder Gitarre einfach mal wieder auf die Straße zu stellen und Musik zu machen: So ist man dem Publikum nämlich viel näher und es liegt nicht so viel Druck auf der eigenen Performance.
STROBO: Welche Erfahrungen hast du aus dieser Zeit mitgenommen?
Paulinko: Da waren auch viele negative Erfahrungen bei – nicht jeder findet toll, was man macht. Ich habe aber auch viele schöne Erfahrungen gemacht. Einmal habe ich in Neuseeland gespielt, als ein Mann auf mich zugekommen ist, und mich gefragt hat, ob ich ein Lied für sein Date spielen kann. Das war echt cool.
STROBO: Dein erstes richtiges Paulinko-Konzert hattest du im vergangenen Jahr – wie hat es sich für dich angefühlt, das erste Mal auf der Bühne zu stehen?
Paulinko: Es war voll schön, weil ich da sehr lange drauf hingearbeitet habe. Ich habe mir immer ausgemalt, wie es sein könnte – und es ist genauso geworden. Das damals war die Release-Party zu „Bis die Sonne aufwacht“ – da waren alle Freunde von mir da, und ich habe zusammen mit Kester gefreestylt. Ich hatte das Gefühl, dass wertgeschätzt wurde, welche Mühe ich mir gemacht habe und alle haben sich gefreut, dass ich meinem Traum ein bisschen näherkomme.
STROBO: Wo wir bei Kester (Keskeskester) wären – im Mai hast du zusammen mit ihm den Song „Traumschiff“ rausgebracht. Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?
Paulinko: Ich habe Kester tatsächlich kennengelernt, als ich einen Künstler gesucht habe, der auf meiner Release-Party spielt. Dann war klar, dass wir auch einen Song zusammen machen müssen.
STROBO: Mit wem würdest du gerne in Zukunft noch kollaborieren?
Paulinko: Wenn ich die Möglichkeit hätte, dann mit Alli Neumann, weil ich ihre Musik und Texte sehr außergewöhnlich finde. Ich habe das Gefühl, dass sie einen Fick auf Konventionen gibt und sie ist sehr bunt, was ich auch schön finde. Auch „Wir sind Helden“, die sich leider getrennt haben, sind eine Band, die mich schon mein ganzes Leben lang begleiten. Sonst fände ich es auch richtig cool, etwas mit Inga Humpe zu machen.
STROBO: Wie bist du selbst zur Musik gekommen?
Paulinko: Ich mache schon seit meiner Kindheit Musik. Ich habe mich zum Beispiel mit acht Jahren bei „Dein Song“ vom Kika beworben – den Bewerbungszettel habe ich letztens gefunden, und da stand schon drauf, dass ich Sängerin werden möchte. Den Traum hatte ich also schon immer. Paulinko ist als Projekt entstanden, weil mich mein jetziges Produzentenduo koenigsallee auf YouTube gefunden und in sein Studio eingeladen hat, weil er jemanden für ein Elektropop-Projekt gesucht hat. Beim zweiten Treffen im Studio ist dann direkt „Bis die Sonne aufwacht“ entstanden. Seitdem machen wir zusammen Musik.
STROBO: Bei den STROBO:Sessions singst du „Rummelplatz“ und „Fuchsig“ – wieso wolltest du die beiden Tracks vorstellen?
Paulinko: „Rummelplatz“ ist Ende des Sommers entstanden. Den habe ich mitgebracht, weil ich ihn zur Zeit der Sessions gerade sehr gefühlt habe. Außerdem fand ich es schön, einen Track mit Gitarre zu spielen, dadurch kommt die Emotion viel stärker rüber. „Fuchsig“ habe ich wegen des Kontrasts gewählt. Er zeigt das Flippig-Rotzige, zu dem man viel tanzen kann und ist auch einer meiner Lieblingstracks.
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