Re:writing im Maschinenhaus Essen: Gesehenes neu Schreiben

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Ein großes Backsteingebäude, ein kleines Theater voll mit Schauspiel, Begegnungen und Kunstexperimenten. Erst vor ein paar Wochen stand STROBO-Reporterin Ilka Gartner schon einmal auf dem Gelände des Maschinenhaus Essen, um ein Porträt über diesen „Produktionsort der Künste“ zu schreiben. Doch am Ende blieb mehr als das – denn Ilka wagt sich beim „Re:writing“ selbst an eines dieser Kunstexperimente.

Ich kreuze sehr spontan und eher unangekündigt auf dem Gelände des Theaters auf. Doch weil später am Tag noch eine Aufführung stattfindet, sind viele des Teams und der Kunstschaffenden auch da. Obwohl ich so überraschend erscheine, führen mich Till Beckmann und Fabian Sattler durch das Maschinenhaus Essen – das sogenannte „Theater der kommenden Generationen“, erklären mir die beiden Mitglieder des insgesamt vierköpfigen Leitungsteams. Sie erzählen mir während des Rundgangs nicht nur von dem Theater, der Zeche und der hier stattfindenden Kunst, sondern auch von einem noch ganz anderen Projekt: Re:writing. Und nicht nur das. Sie laden mich auch direkt ein, bei dem Projekt mitzumachen. Ich sage zu, auch wenn ich noch nicht ganz verstanden habe, was dieses Re:writing sein soll.

Das Maschinenhaus Essen. Foto: Cynthia Ruf.

Das angeblich Monströse 

„Rewriting nennt sich die Kunst, eine Übersetzung oder einen Text so zu bearbeiten, dass ein neuer Text entsteht“, so beschreibt es das Maschinenhaus Essen auf ihrer Website. Es bedeutet hier, sich nach einem Theaterstück hinzusetzen und einen Text zu schreiben, der anschließend im Theater ausgestellt wird. Es gehe dabei darum, das Theaterstück gedanklich fortzuführen und so eine Sammlung assoziativer Gedanken und persönlichen Erinnerungen zu gestalten. Dabei kann von dem:der Verfasser:in selbst alles aufgeschrieben werden, was das Theaterstück ausgelöst hat.

Also los: Zwei Wochen später sitze ich im Publikum beim Stück Monsterrr, einem Kinderstück ohne Worte über das angeblich Monströse. Gespielt von dem international bekannten Pantomimekünstler Tryggve Wakenshaw. Es ist Premierenfeier und dem Publikum wird im Anschluss Pizza versprochen.

Till Beckmann: „Ein Text, ein Gedicht, ein Lied – alles ist möglich.“

Vor dem Theater erzähle ich Till, dass ich ein wenig nervös sei. Aber er erklärt mir ganz gelassen: „Es ist ganz egal, was du schreibst. Einen Text, ein Gedicht, ein Lied – alles ist möglich. Du kannst auch gar nichts schreiben, wenn dir das Theaterstück nichts sagt.“ 

Aber mir sagt das Theaterstück etwas. Auch wenn ich zunächst skeptisch und aufgeregt war, fallen mir während ich im Publikum sitze, sehr viele Dinge auf und ein. Vor allem denke ich immer wieder: Es ist gut nicht nur zu sitzen und zu schauen, sondern aktiv dabei nachzudenken. Nach dem Stück setze ich mich direkt an einen Laptop und schreibe alles auf, was ich mit dem Theaterstück, mit dem Monsterrr, mit den verschiedenen Szenen assoziiere, an was ich mich erinnert habe, was ich gefühlt habe. Und das war gar nicht mal so wenig.

Die Zuschauer:innen genießen das Theaterstück Monsterrr. Foto: Cynthia Ruf.

Die Pizza ist leer, aber der Text ist fertig

Nach fast zwei Stunden schreiben, stehen nur knapp zwei Seiten Text – und folgende Erkenntnisse.
Erstens: Es ist gar nicht so einfach, mal eben alle Assoziationen in einen abschließenden Text zu bringen, denn zweitens: So ein Theaterstück lässt mich an mehr Erinnern und über mehr Nachdenken, wenn ich aktiv zuschaue. Außerdem ist es für mich eine Herausforderung, sich einem Text nicht journalistisch, sondern selbstbezogen zu nähern. Doch schon beim Schreiben merke ich, wie sich das Stück nochmal anders für mich erschließt, wie sich neue Inhalte und Aspekte aufdecken, über die ich ohne das Re:writing gar nicht nachgedacht hätte.

Und dann, ich hatte schon fast nicht mehr dran geglaubt, tippe ich doch noch den letzten Satz und verlasse zwei Stunden nach allen anderen den Raum. Die Pizza ist aufgegessen, draußen wird noch Fußball gespielt. Aber ich habe das Gefühl, noch im Publikum zu sitzen und das Monsterrr vor mir zu sehen. Ich habe das Gefühl, noch viel mehr als erwartet von dem Stück mitgenommen zu haben. Und ich nehme mir fest vor: Beim nächsten Theaterbesuch mache ich ein weiteres Re:writing – auch wenn es nur für mich selbst ist.

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