So haben Kinobesitzer:innen im Ruhrgebiet den Lockdown erlebt

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Die Kinos in NRW haben wieder geöffnet. Nachdem sie monatelang ihre Türen verschlossen halten mussten, haben wir mit den Programmkinos im Ruhrgebiet über die harte Zeit und den hoffnungsvollen Ausblick auf den Sommer geredet.

Christiane Hüls, Essener Filmkunsttheater 

„Der Winter ist die Zeit, in der wir normalerweise die Rücklagen für den Sommer bilden. Das fiel dieses Jahr natürlich völlig weg“, sagt Christiane Hüls, zuständig für das Programm der Essener Filmkunsttheater. Dazu gehören das Filmstudio Glückauf, der Eulenspiegel, das Astra, die Galerie Cinema und das Rio in Mülheim. Ohne die Novemberhilfen und Kurzarbeit wäre es unmöglich gewesen, den Betrieb aufrecht zu halten und die Mitarbeiter:innen weiterzubeschäftigen.

Aber auch Spenden aus der Bevölkerung hätten einen großen Teil dazu beigetragen, dass das Team hoffnungsvoll in die Zukunft blicken konnte: „Das Feedback war überwältigend und der Rückhalt der Essener Bürger:innen gibt uns natürlich ein gutes Gefühl und auch eine gewisse Sicherheit, dass wir den Sommer gut überstehen werden“, so Hüls. Diese Sicherheit war natürlich nicht immer gegeben. Gerade zu Beginn des zweiten Lockdowns, als noch niemand absehen konnte wie lange die Häuser geschlossen bleiben müssen, gab es unter den Angestellten durchaus Sorgen um das Bestehen der Kinos und letztlich um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes: „Die Stimmung war bei uns allen an einem Tiefpunkt angelangt und die Aussicht eher sorgenvoll.“

Bei Christiane Hüls und allen Mitarbeiter:innen der Essener Filmkunsttheater ist die Euphorie über die Wiedereröffnung groß: „Die Freude, wieder loslegen zu können, ist riesig und wir freuen uns darauf den Besucher:innen endlich wieder ihre geliebte Kinoatmosphäre zu bieten.“ Mittlerweile ist auch ein Termin für das alljährliche Open Air Kino in der Essener Innenstadt bekannt. Ab dem 29. Juli. werden auf dem Domplatz, in unmittelbarer Nähe zur Lichtburg, wieder Klassiker der Kinogeschichte und Filme aus dem laufenden Programm gezeigt.

In der Postkutsche waren zuvor zwölf Mitarbeiter:innen eingestellt und jetzt sind es nur noch sechs.

Robert Schütte, Postkutsche Dortmund

Robert Schütte, Postkutsche Dortmund

Robert Schütte arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr in Kinos. Mittlerweile leitet er unter anderem die Postkutsche in Dortmund Aplerbeck. Die Pandemie hat auch dort ihre Spuren hinterlassen:  „In der Postkutsche waren zuvor zwölf Mitarbeiter:innen eingestellt und jetzt sind es nur noch sechs. Das liegt nicht nur direkt an Corona. Die Kinos waren sehr lange geschlossen und es war unklar, wann wir wieder aufmachen können. Viele konnten sich das natürlich nicht leisten und haben sich in der Zwischenzeit einen anderen Job gesucht.“

Das Kino hat sich neun Monate lang nur über Spenden und staatliche Hilfen halten können und auch jetzt seien Gäste noch immer vorsichtig und skeptisch, was ihre Besuche angeht. Trotz Hygienekonzepte sehen viele eine Infektionsgefahr: „Jetzt nach der Öffnung müssen wir natürlich schauen, ob wir alles wieder so regenerieren können, wie es vorher war“, sagt Schütte. Ein Kino aufrechtzuerhalten sei nicht nur technisch schwierig. Neue Angestellte müssten eingearbeitet werden, Bestellungen getätigt werden. Aus diesem Grund allein sei es momentan nicht leicht, Sonderveranstaltungen zu planen. Generell ist Schütte aber zuversichtlich: „Die Menschen brauchen das Kino und jetzt, wo wir wieder öffnen, werden sie auch kommen.“

Wir denken, dass wir in diesen Zeiten eine gewisse soziale Verantwortung haben

Markus Köther, Filmwelt Herne

Markus Köther, Filmwelt Herne

Markus Köther leitet mit seiner Frau das Kino Filmwelt Herne. Das Familienunternehmen legt besonderen Wert darauf auch in diesen Zeiten seine Mitarbeiter:innen zu unterstützen: „Wir denken, dass wir in diesen Zeiten eine gewisse soziale Verantwortung haben“, sagt Köther. Er habe alle Mitarbeiter:innen halten können: „Auch die 450 Euro-Basis Mitarbeitenden haben wir weiterhin freiwillig unterstützt.“ Nicht nur das Finanzielle, sondern auch die Technik machte der Filmwelt Herne zu schaffen. Schließlich seien Kinos auf einen 365-Tage Betrieb ausgelegt. Es habe nach der Pause eine ganze Weile gedauert, alles wieder so weit zum Laufen zu bringen. Aber jetzt wo es weitergeht, gibt er sich zuversichtlich. Besonders große Blockbuster wie Fast & Furious 9 oder Black Widow werden diesen Sommer und Herbst anlaufen: „Das steht im starken Kontrast zu dem letzten Jahr, in dem es kaum Material gab. Und jetzt schon sind einige unserer Vorführungen ausverkauft. Insbesondere für Familienfilme.“ 

In den letzten Jahren war auch immer wieder die Rede von Streamingdiensten, die das Kino nach und nach ablösen sollen. Besonders zu Coronazeiten sind viele auf das sogenannte Heimkino umgestiegen. Köther selbst beteuert aber, er mache sich  über die Zukunft des Kinos keine großen Sorgen: „Dieses Gerede gab es schon immer. Auch damals als die VHS-Kassette rauskam. Wenn es um Streaming geht, dann schließt das eine das andere nicht aus.“ Oftmals seien Stream-Konsument:innen auch sehr gute Kinobesucher:innen: „Wir reden ja auch nicht davon, dass alle Deutschen zehnmal pro Jahr ins Kino gehen müssen. Da reichen schon zwei bis drei Besuche pro Jahr, um die Kosten zu stemmen.“ 

In Herne startet in den nächsten Wochen wieder das traditionelle Open-Air Kino im Schlosspark vom Schloss Strünkede, das letztes Jahr ausfallen musste. Allerdings ist für Köther selbst das absolute Highlight der neue Bond-Film, der im Herbst rauskommt: Das liegt daran, dass ich ganz großer Bond-Fan bin. Den Film werde ich mir auch alleine morgens mit Kaffee und Brötchen in meinem Kino ansehen.“

Michael Beckmann, filmforum Duisburg

Ohne die Novemberhilfen und die Unterstützung der Stadt Duisburg stünde das filmforum Duisburg laut Geschäftsführer Michael Beckmann vor dem Aus.

Über die Öffnung am 1. Juli sagt er: „Der Zeitpunkt für die Öffnungen ist ein denkbar schlechter, da der Juli traditionell kein guter Monat für Kinos ist und wir auch noch in die Endphase einer sportlichen Großveranstaltung kommen.“ Zudem könne man das Verhalten der Gäste unter den immer noch herrschenden Corona-Bedingungen kaum vorhersagen. Allgemein mache er sich langfristig große Sorgen um die gesamte Kinoindustrie. Aufgrund der Tatsache, dass die großen Filmverleiher während der Pandemie dazu übergegangen sind, ihre Filme auch auf Streamingplattformen zu veröffentlichen, sei die Exklusivität des Kinos nicht mehr gegeben und somit würde es immer schwieriger die Menschen ans Kino zu binden.

Allerdings plane man Programm und Veranstaltungen, so Beckmann, sowieso erstmal nur bis Ende des Jahres, denn an eine völlige Entspannung des Pandemiegeschehens und die Rückkehr zur völligen Normalität glaube er noch nicht. 

Bei der Gestaltung des Programms für den Rest dieses Jahres sieht aber auch er keine Probleme. Zwar gebe es für die großen Ketten keinen Sommer-Blockbuster, kleine Programmkinos wie das filmforum könnten jedoch aus dem Vollen schöpfen. Und auch in Duisburg sind bereits einige Sonderveranstaltungen für den Sommer geplant. Ab Mitte August wird es an der Wedau Open Air Vorführungen und Konzerte geben und auch die Feierlichkeiten zum 50. Geburtstags des filmforums, die eigentlich letztes Jahr hätten stattfinden sollen, werden in diesem Jahr nachgeholt.

Sigrid Switala, Casablanca, Metropolis, Capitol Bochum

„Seit Mitte Juni haben wir hier im Casablanca wieder auf. Und das ist ein tolles Gefühl, weil man merkt, dass die Leute auch kommen“, erzählt Sigrid Switala, die seit über zehn Jahren die Theaterleitung der drei prominentesten Programm-Kinos von Bochum, Casablanca, Metropolis und Capitol, übernimmt. Mit der Wiedereröffnung Mitte Juni startete das Kino Casablanca, das im Kneipenviertel der Bochumer Innenstadt liegt, viel eher als die meisten anderen Filmtheater. „Wir durften teilweise in der Vorpremiere auch Filme zeigen, die noch nicht liefen“, so Switala.

Sie legt besonders auf die persönliche Atmosphäre in den Kinos wert. Das Casablanca ist für sein Arthouse-Programm bekannt, das Capitol ist ein Familienkino mit einer Mischung aus Mainstream und Programm-Kino, im Metropolis, das im Bochumer Hauptbahnhof liegt, gibt es hauptsächlich Veranstaltungen. Zum Beispiel steht ein Filmgespräch mit Minari Regisseur Lee Isaac Chung am 15. Juli an. Das Casablanca ist mit einem starken Filmangebot zurück, nachdem es sich letztes Jahr beinahe vollständig auf Repertoire-Filme konzentrieren musste. Filme wie der Oscar-prämierte Nomadland oder der Spion und der Schneider von Athen laufen demnächst an. 

“Fremde Menschen schauen sich zusammen einen Film an und die Gefühle sind ganz andere, als wenn man sich einen Film Zuhause ansieht. Deshalb wird es Kino immer geben“, meint Switala, bei der Frage über die Zukunft des Kinos.

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Fünf Indie Kinos im Ruhrgebiet

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