Das Ruhrgebiet ist keine Provinz – Juicy Beats Park Sessions

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Nach langer Pause dürfen wieder Konzerte stattfinden. An einem lauen Sommerabend war unser Autor Max bei einer der erfolgreichsten Newcomer-Bands aus Deutschland: Provinz. Die vier Jungs aus Regensburg traten bei den Juicy Beats Park Sessions im Dortmunder Westfalenpark auf. 

Provinz – wie sie sich auch beim Konzert selbst vorstellen – drei Cousins und Leon, haben den Sprung aus einer kleinen Gemeinde bei Ravensburg direkt in das wuselige deutsche Musikgeschäft geschafft. Ihr Debütalbum „Wir bauten uns Amerika“ überzeugt mit ehrlichen Texten über das Erwachsenwerden, inbrünstig gesungen von Sänger Vincent Waizenegger, sowie mit deutscher Popmusik, die zwar mit Kitsch-Elementen spielt, nichtsdestotrotz nie die Max-Giesinger-Grenze überschreitet. Wie man vermuten könnte, ist das Publikum jung, weiß und weiblich und Provinz in ihren Ansagen bodenständig, dankbar und als Newcomer aufgeregt. Man darf keine Überraschungen erwarten, braucht sie aber auch nicht. 

Provinz-Konzert in Dortmund: Das Publikum ist textsicher

Im Schatten des Florianturms startet die Band bei bewölktem Himmel ihr drittes Konzert des Jahres mit dem Song „Hymne gegen euch“, eine starke Positionierung für die Stimme der Jugend, die viel zu oft überhört wird. Direkt schallt Vincents kraftvolle Stimme über die knapp 1000 Köpfe hinweg, die unmittelbar im angeordneten Zweierpack auf der Stelle tanzen und diesen Sonntagabend, egal was passiert, genießen wollen.

Foto: Hakki Topcu.

Sowohl das textsichere, fast durchweg stehende Publikum (obwohl es auch Sitzmöglichkeiten gibt), als auch die Musik, die Provinz verkörpert, lassen dieses Konzert unter besonderen Umständen zu einem sehr normalen werden. Wenn eine Musik diese Art von Konzerten tragen kann, dann die von Provinz. 

Provinz bei den Juicy Beats Park Sessions sorgen für Coldplay-Vibes

Deichkinds Show mit Bierfässern, Booten und Remmidemmi? Kaum vorstellbar mit den Abständen und der Distanz zur Bühne. Doch bei Provinz funktioniert die Show. Sie verstehen es, zwischen den ruhigeren Songs wie „Neonlicht“ oder „Augen sind rot“ und den eher treibenden wie „Was uns High macht“ oder „Tanz für mich“ zu wechseln.

Dabei kommt keine Langeweile auf, man aber auch nicht ins Schwitzen. Doch so emotionsgeladen gerade die Songs sind, die von Vincents Stimme getragen werden und bei denen sich Pärchen verliebt in die Augen schauen, so fehlt doch etwas Wucht bei denen, die Abwechslung reinbringen. Das beste Beispiel ist hier der Ohrwurm „Diego Maradona“, der live leider einer zu intimen MTV unplugged Version nahekommt.

Die musikalisch stärksten Momente kommen immer dann hervor, wenn Robin Schmids Klavier in den Mittelpunkt rückt. Bei zwischendurch leichtem Nieselregen und der tiefstehenden Sonne liegt Festivalstimmung in der Luft. Das erinnert im positiven Sinne an Coldplay, die mit hymnenhaften Akkorden (Bestes Beispiel: Viva La Vida, Paradise) abwertend als “Stadioband” betitelt werden. Es ist nicht abwegig, dass Provinz 200 Konzerte später auch eine sein könnte.

Wo die Band bisweilen sogar noch mehr herausholen könnte, sind zudem Passagen wie bei „Nur bei dir“, bei dem Bassist Moritz die Funk-Partituren gemeinsam mit Schlagzeuger Leon im Solo spielt. Hier kann und darf sich Provinz noch mehr von den Songstrukturen der Studioaufnahmen lösen und sich noch mehr als gemeinsam musizierende Band präsentieren.

“Wer kommt denn hier aus der Provinz?”

Das übernehmen die Fans, die trotz der Abstände zueinander bei jedem eingebauten Teil zum Mitsingen mitmachen, und sogar die geplante Stille im Refrain von „Was uns High macht“ zum Klingen bringen – obwohl etwas unverständlicherweise jede:r stehend eine Maske tragen muss, sitzend aber nicht.

Die Kritik des Textes werden große Teile des jungen Publikums anders sehen – weil Provinz sie ohnehin berührt und mit Songs wie „22 Jahre“, einem Song über den Auszug bei den eigenen Eltern, aus der Seele spricht. Einzig bei der Frage, wer denn hier aus der Provinz kommt, schütteln auch die größten Fans den Kopf. Das Ruhrgebiet ist eben keine Provinz.

Konzert von Provinz: Emotionen, Erlebnisse und Erinnerungen

Zum Ende hin wird das Geschrei nach dem Song „Reicht dir das“ lauter und die Freude über den letzten Song dieses Konzertes umso größer. Danach ist es auch schon vorbei. Als sich Provinz unter großem Jubel verabschieden, ist die Sonne nicht mal untergegangen. Ihre Show war knackig kurz, aber schön; kurzweilig, aber fehlerfrei.

Die musikalischen Überraschungen blieben heute Abend aus, dennoch bleibt etwas Größeres: Provinz schaffen es, wahrscheinlich besser als die meisten Bands mit großer Live-Erfahrung, das Beste aus den Irgendwie-anders-aber-trotzdem-schön-Konzerten herauszuholen und ihrem Publikum das zu geben, was es will: Emotionen, Erlebnisse und Erinnerungen. Die Schlange beim Merch-Stand war anschließend lang. Dann hat Provinz anscheinend alles richtig gemacht.

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