Theaterkollektiv Trafique: Wie Streaming und Live-Theater zusammenpassen

Das Theaterkollektiv Trafique spielt mit neuen Formen des Theaters und erkundet dabei den Raum zwischen Theater und Film. STROBO hat die Ensemble-Mitglieder Anna Marienfeld und Björn Gabriel getroffen und mit ihnen über ihre digitale Entwicklung gesprochen. Kultur im Ruhrgebi

„Es ist absurd, die Augen davor zu verschließen, wie sich unsere Welt digitalisiert“ erklärt Anna Marienfeld, die Teil des Theaterkollektivs Trafique ist. Digitale Formate auf der Theaterbühne setzt das Kollektiv nicht erst seit der Corona-Pandemie um, sondern von Beginn an. 2012 gründete Björn Gabriel gemeinsam mit Steffi Dellmann das freie Ensemble Sir Gabriel Dellmann, welches mittlerweile Trafique heißt. Gabriel studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Danach spielte er an verschiedenen Staats- und Stadttheatern und begann auch einige Stücke selbst zu inszenieren. Bei Trafique steht er mittlerweile nicht mehr auf der Bühne, sondern will sich nur noch auf das Inszenieren und Schreiben konzentrieren. 

Anna Marienfeld studierte ebenfalls Schauspiel in Hamburg und ist seit rund sieben Jahren mit im Ensemble. Ihre Rolle bei Trafique ist die der Schauspielerin, Ausstatterin und gemeinsam mit Gabriel auch die der künstlerischen und organisatorischen Leitung.

„Zwischen Theater und Film liegt so viel Grauzone“

Die Idee eines freien Ensemble sei mehr durch Zufall entstanden. „Wir wollten unbedingt mal ein anderes Stück machen und haben dafür Partner:innen gesucht“, erklärt Gabriel. Das Depot in Dortmund fand sich als erster Proben- und Aufführungsraum. Weitere Kooperationspartner:innen fanden sie in Köln. Von Beginn an setzten Trafique auf verschiedene Theaterästhetiken und verbinden Theater mit Video-Elementen.

„In der freien Szene gibt es mehr Chancen schneller auf gesellschaftliche relevante Problemstellungen zu reagieren. Wir machen ja auch inhaltlich sehr zeitgenössisches Theater mit der digitalen und filmischen Ästhetik gepaart. Zwischen Theater und Film liegt so viel Grauzone, das finde ich hochinteressant“, erklärt Gabriel.

Foto: Peter Ritter.

Mit ihren Erfahrungen waren sie besonders in der Pandemie vielen Theatern einen Schritt voraus. „Dadurch, dass wir schon ziemlich weit auf dem Weg der digitalen Entwicklung waren, hatten wir natürlich einen Vorsprung. Aber auch für uns war es ein großer Schritt. Wir brauchen jetzt auch eine Übersetzung vom Theaterraum auf die flache Scheibe“, berichtet Marienfeld.

Die Corona-Pandemie als künstlerische Chance und Herausforderung 

Als sie ihren Theater-Stream zum ersten Mal selbst sahen, war ihnen klar: es fehlt etwas. Schnell kam die Rolle der Live-Regie hinzu. Ein:e Regiesseur:in sitzt bei den Vorstellungen live neben den Videokünstler:innen und inszeniert zwischen schon existierenden Bildern – als Partner:in für die Videokünstler:innen und Schauspielenden. Um das richtige Theatererlebnis auch in den digitalen Raum zu transportieren, passiert alles live. „Schnitt und Kamera passiert alles im Theaterraum. Wir verzichten ganz bewusst auf die Post-Produktion, weil wir dieses Live-Erlebnis auch über das digitale Medium transportieren wollen“, so Gabriel.

Im Lockdown fanden die Live-Theater-Streams großen Zuspruch. „Wir hatten teilweise mehr Zuschauer:innen im Stream als überhaupt ins Theater gepasst hätten“, erinnert sich Gabriel. Dass jetzt die Theater wieder geöffnet sind, begrüßen sie natürlich. Aber die Streams sollen beibehalten werden. Hybrid laufen auch die aktuellen Stücke „Toxic“ und „Fassaden“. Die Zuschauer:innen können sowohl im Theater als auch zu Hause im Stream zugucken. „Man kann mehr Menschen auf der ganzen Welt abholen und Grenzen sprengen“, stellt Marienfeld fest. „Da ist etwas Neues entstanden. Dieser ästhetische Quantensprung geht auch nicht wieder weg“, ergänzt Gabriel.

Foto: Peter Ritter.

Das Stück „Fassaden“ ist am 22. und 23.10. jeweils um 19.30 Uhr zu sehen. Wegen einem Krankheitsfall im Ensemble wird das Stück allerdings nur im Stream gezeigt. Das Stück handelt vom Aufstellen von Selbstbildnissen, von gesellschaftlichen Anforderungen und der gesellschaftlich relevanten Problemstellung einer Identität. „Fassaden meint Fassaden, die jede:r von sich selbst kreiert oder aufstellt. Und diese Fassaden stürzen ja spätestens alle paar Monate oder Jahre wieder ein und dann steht man da“, erklärt Gabriel. In dem Stück gibt es ein imaginäres Ich, das von drei Schauspielenden dargestellt wird und sich aus dem Sterbebett an persönliche Erlebnisse erinnert. 

Schauspielende werden zu Kameraleuten

Das Kernteam bei Trafique besteht in der Regel aus 10 Leuten, die an einer Produktion beteiligt sind. Dazu zählen die Schauspieler:innen, die Regie, die Assistenz und die Kamera-, Licht- und Tonleute. Bei „Fassaden“ sind es allerdings nur fünf Personen. Die Schauspieler:innen auf der Bühne sind auch ihre eigenen Kameraleute. „Das ist eine schöne Form des Zusammenspiels im Ensemble. Dass alle so gut und schnell mit der Kamera umgehen konnten, denke ich liegt dem Schauspielern zu Grunde. Jede:r reagiert schnell auf die Mitspielenden, weil wir daran gewöhnt sind füreinander da zu sein. Das ist der Ensemblegedanke“, erzählt Marienfeld. 

Termine auf einen Blick

Fassaden: 22./23.10. um 19:30 Uhr im Stream https://studio-trafique.reservix.de/events

12./13.11. um 20 Uhr im Stream 

Babel: 26./27.11. um 20 Uhr im Kulturbunker Köln Mülheim

Tickets und Infos unter studio-trafique.de

Auch von der Zukunft haben Gabriel und Marienfeld schon Vorstellungen. Sie wollen mit noch weiteren Ästhetiken experimentieren, beispielsweise aus dem Bereich Gaming oder auch mit Publikums-Partizipation. Außerdem wollen sie weitere Netzwerke und Kooperationen mit anderen Künstler:innengruppen aufbauen. 

Auf das nächste große Erlebnis nach „Fassaden“ muss man aber gar nicht lange warten. Am 26 und 27. November ist schon das nächste Stück „Babel“ zu sehen. Die Protagonist:innen verkörpern vier fiktive Figuren in dem Stück, die aus der Sicht von Profiteur:innen und Opfern eines gesellschaftlichen Umsturzes berichten. Genaueres können die beiden aber noch nicht preisgeben. Mit den Proben haben sie in der vergangenen Woche begonnen. „Es passiert noch so viel bis zur Premiere mit dem Text und dem Stück“, erklärt Marienfeld.

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