Das Wochenende hat wieder einen Sinn. Alles hat offen und man kann wieder etwas erleben. Das ist doch gut, oder? In STROBO:Insights fragt sich Redakteur Max, warum ihn das überfordert.
Mein Instagram-Feed erholt sich vom Lockdown – Samstag morgens werde ich wach und schaue mir wie hypnotisiert 15-sekündige Videos an. Beats und Menschenmengen, WG-Party-Atmosphäre, Aperol und Außengastronomie. Ich werde mitgenommen in die Wochenenden zahlreicher junger Menschen, die das Quasi-Postcorona-Leben mit mir teilen.
Was macht das mit mir? Über die letzten Wochen habe ich immer wieder über die Kurzeindrücke nachgedacht und nun versucht, drei Fragen für mich zu beantworten.
So viel zu Tun an den Wochenenden: Wann ging das los?
Als das Virus ausbrach, habe ich immer von einem Tag geträumt, an dem wir Menschen uns kollektiv wieder in die Arme fallen und mal so richtig einen drauf machen können. Ich hatte schon Geld gespart für die zwei Wochen, in denen ich alle Clubs alleine retten wollte. Und dann? Nichts. Aufgrund der stadtbezogenen Maßnahmen saßen Menschen in Münster schon in Kneipen, als das Ruhrgebiet noch um 22 Uhr zu Hause sein musste. Woanders konnten Menschen in Clubs tanzen, während ich aufgrund von Alkoholverboten vor einem geschlossenen Kiosk stand. Nichts mit dem Freedom Day, wie er heute in Großbritannien gefeiert wird. Das Leben in meinen Instagramstories kam wellenartig zurück – von Norden nach Süden.
Mich freut die zurückgewonnene Lebensqualität. Letzte Woche habe ich zu Musik getanzt, die von einem DJ aufgelegt wurde. Ich war, am selben Tag, das erste Mal wieder in einem Museum und auf einem Konzert. Doch gerade, als ich den ersten Schluck vom von einem Kellner gebrachten Bier trinken wollte, stand im Rücken der Spielverderber namens Delta-Variante und mahnte mit erhobener Hand „Genieß es, bald darfst du wieder Flaschenbier trinken.“ Das setzt mich genauso viel unter Druck wie Wettkampf-Exen. Damit sind wir bei Frage 2.
Nach dem Lockdown: Bin ich überfordert?
Wenn man eine Pro/Contra-Liste zum Thema Lockdown überhaupt führen darf, dann steht bei mir auf der linken Seite als einziger Punkt: Kein Stress bei der Wochenendplanung. Nicht das Beste aus seinen zwei Nächten herauszuholen, stellt mich, seit das Wochenende für mich bedeutsam wurde, vor große Herausforderungen. Hier Party, da Tanzen, hier noch ein Konzert und am besten morgens um zehn Uhr ins Museum. Wenn nichts geht, werde ich unruhig. Dieses Gefühl hatte ich die letzten Jahre nicht. Ich habe mir immer selbst die Daumen gedrückt, dass mein Reifeprozess im Hinblick auf das Wo-geht-am-meisten-Syndrom zumindest etwas voranschreitet. Doch da habe ich mich zu früh gefreut. Es gibt so vieles, was ich an Kultur im Ruhrgebiet kennengelernt habe und nachholen möchte, so viele Leute, mit denen ich gute Gespräche führen will. Doch meine Zeit ist begrenzt. Deswegen: Wisst ihr, wo am Wochenende eine gute Party geht?
Fomo: Habe ich Angst, etwas zu verpassen?
„Fear of missing out” oder verniedlichend abgekürzt „Fomo“ heißt das Phänomen, das die Angst vor einem langweiligen Leben beschreibt. Menschen vergleichen sich mit anderen, sind niedergeschlagen, wenn andere Spaß haben und sie nicht, und so weiter. Ich weiß, dass Instagram diese Angst verstärkt. Instagram ist quasi der Erfinder dieser Angst. Natürlich habe ich Angst, etwas zu verpassen. Ich bin Mitte 20 und mir wurden zwei Jahre Kultur gestohlen. Unruhig zu werden, weil man andere Menschen tanzen sieht, heißt nicht, dass ich es Ihnen nicht gönne. Es heißt nur, dass ich gerne mitgetanzt hätte.
Jetzt bleiben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder verzichte ich auf das Storys-Schauen am Morgen oder ich lebe weiterhin mit Fomo. Und da Instagram leider wie eine Droge wirkt, werde ich wohl oder übel damit leben müssen. Das ist aber auch kein Problem. Ich bin einfach froh, dass wir alle wieder rausgehen können.