Ausstellung „Was ich anhatte“ zeigt Kleidung von Opfern sexualisierter Gewalt

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Bei der Diskussion um sexualisierte Gewalt rückt häufig die Kleidung des Opfers in den Vordergrund und sucht damit die Schuld beim Opfer. Die Ausstellung „Was ich anhatte“ möchte damit brechen. Im STROBO-Interview erzählt Kuratorin Beatrix Wilmes von bewegenden Wirkung für Besucher:innen. 

Triggerwarnung: Vergewaltigung, sexualisierte Gewalt

Sie hatte eben ein kurzes Kleid an, wollte es so, hat es provoziert: Bei sexuellem Missbrauch passiert es oft, dass die Rollen der Täter:innen und die der Opfer umgekehrt werden. Diesen Vorgang nennt man „Victim Blaming“ – das Opfer wird für die Tat beschuldigt. Bei sexualisierter Gewalt rückt dabei oft die Kleidung der Vergewaltigten in den Fokus.

Die Kleidung sollte niemals eine Rechtfertigung für sexuelle Übergriffe sein, findet Beatrix Wilmes, die Kuratorin von „Was ich anhatte“. 

Die Wanderausstellung tourt seit Monaten durch Deutschland und ist noch bis zum Samstag, 23. April, in Bochum zu sehen. Vom 27.06 – 11.07. kommt sie nach Dortmund. Die Ausstellung zeigt die Anziehsachen und Geschichten von zwölf Menschen, die Opfer von sexualisierter Gewalt wurden. In Bochum wird neben der Kleidung von elf Frauen, auch die eines Trans Mannes ausgestellt. 

STROBO: Beatrix, du bist die Verantwortliche für die Ausstellung. Wie kamst du auf die Idee „Was ich anhatte“ zu starten?

Beatrix: Ich bin Autorin und arbeite seit Jahren in den Medien, aktuell hauptsächlich für den WDR in der Redaktion „Frau TV“. Mein Schwerpunktthema ist dort „Gewalt gegen Frauen“. Die Idee für die Ausstellung hatte ich schon länger im Hinterkopf, aber es gab immer etwas anderes zu tun. Durch Corona gab es dann 2020 endlich Zeit für die Realisation meiner Idee und wir haben wunderbarerweise eine Corona-Soforthilfe für Künstler:innen vom Land bekommen. Das waren also die perfekten Startbedingungen „Was ich anhatte“ zu konzipieren.

STROBO: Über Instagram habt ihr einen Aufruf an Personen gestartet, die einen sexualisierten Übergriff erlebt haben. Wie war die Resonanz?

Beatrix: Zusammengenommen haben wir von 40 Betroffenen Feedback bekommen. Einige wollten uns nur ihre Geschichte erzählen, andere fanden die Idee toll, Teil einer Ausstellung zu sein. So hatten wir die Möglichkeit uns eine breit gefächerte Ausstellung zusammen zu stellen. Denn es war mir besonders wichtig zu zeigen, dass sexualisierte Gewalt überall passiert. 

STROBO: Wonach wurden die zwölf Personen dann ausgewählt?

Beatrix: Wir wollen alle Altersklassen präsentieren. Die jüngste Betroffene war damals sechs Jahre alt, die älteste ist über 80. Ihre Kleidung ist dadurch sehr unterschiedlich. Und wo ist es ihnen passiert Die Tatorte gehen vom Arbeitsplatz, über den Club mit K.O.-Tropfen, bis hin zum eigenen zu Hause oder den engen Freundeskreis. In diesem vertrauten Umfeld passiert sexualisierter Missbrauch immer noch am meisten, aber es gibt vielfältige Formen der sexualisierten Gewalt. Wichtig ist uns mit der Ausstellung das klare Zeichen zu setzen, dass die Opfer niemals Schuld tragen.

STROBO: Die Traumata der Opfer von sexualisierter Gewalt können noch lange nachhallen. Wie war es mit ihnen durch ihre Geschichten zu gehen?

Beatrix: Ein Großteil der Arbeit war Vertrauen zu ihnen aufzubauen. Das war eine sehr emotionale Zeit. Teilweise habe ich darüber nachgedacht, ob das Projekt überhaupt eine gute Idee für mich selbst ist. Ich habe die ganzen Geschichten gelesen und mich permanent mit dem Thema sexualisierterGewalt auseinandergesetzt. Denn die Vorarbeit hat Monate gedauert. Viele Betroffene machten Rückzieher, überlegten es sich anders, bis am Ende 12 von ihnen bereit waren, ihre Geschichte zu teilen. Auch für Bochum habe ich mir diese Geschichten wieder durchgelesen und jedes Mal aufs Neue bewegt es mich zutiefst. 

STROBO: Auch viele andere Menschen erleben in ihrem Leben Übergriffe. Wie war die Resonanz von Besucher:innen?

Beatrix: Es gibt immer wieder Frauen, die nach dem Besuch der Ausstellung in den verschiedensten Städten, mit einer Tüte ihrer Anziehsachen vor der Tür stehen und das Projekt unterstützen wollen. Oft kriegen wir die Resonanz, dass Frauen nach ihrem Besuch endlich ihre schlimmen Erfahrungen teilen wollen. In Solingen gab es beispielsweise nach unserer Ausstellung einen signifikanten Anstieg in den von uns empfohlenen Beratungsstellen. Die Frauen erzählten uns, dass sie durch die Ausstellung Mut bekommen haben, sich nun endlich beraten zu lassen und laut zu werden. Wenn wir nur ein paar Betroffenen mit dieser Ausstellung helfen und Mut machen können, ist das schon großartig.

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Dieser Artikel wurde gefördert durch den Regionalverband Ruhr.

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