Magdalena Los, Künstlerin aus Bremen, war im Zuge des Residenzprogramms von Urbane Künste Ruhr bis Ende März in Dortmund zuhause. Im Interview mit STROBO spricht sie über ihren Karrierebeginn, die Schwierigkeiten in der Corona- Pandemie, luzide Träume und die Widerstände, auf die man in der Kunst trifft.
STROBO: Frau Los, Ihre Karriere begann mit neun Jahren, da haben Sie mit einer einer Einsendung einen Wettbewerb der Telekom für ein Telefonbuchcover gewonnen. Was haben Sie damals gezeichnet?
Magdalena Los: Genau, das war in der Grundschule. Früher gab es mehrere Malwettbewerbe, aber der für das Telefonbuch war schon speziell. Das Thema hieß „Bilder dieser Welt”. Ich habe ein Mädchen in Indien an einem Brunnen gemalt.
STROBO: Haben Sie damals schon die Leidenschaft zur Kunst gespürt?
Magdalena Los: Ich mag diesen Satz immer nicht, der kommt sehr oft, aber ich sag ihn trotzdem: Klar habe ich als Kind viel gemalt, das sagen aber auch immer alle. Ich finde, es gibt viele Leute, die am Ende nicht Künstlerin werden, die viel gemalt haben als Kinder. Aber das viele Malen war auf jeden Fall da.
STROBO: Sie kommen ursprünglich aus Bremen, haben jetzt aber in Dortmund im Rahmen des Residenzprogramms von Urbane Künste Ruhr gelebt. Wieso haben Sie sich beworben?
Magdalena Los: Die Urbanen Künste Ruhr schreiben das Residenzstipendium nicht öffentlich aus, sondern fragen Leute aus der Kunstszene: Expert:innen, Professor:innen, Kurator:innen, Kolleg:innen, die dann Vorschläge machen dürfen. Ich wurde vorgeschlagen und habe ein dreimonatiges Stipendium erhalten. Die thematische Klammer bei meiner Bewerbung war das Thema Zukunft. Das ist aber nicht engmaschig geknüpft, sondern sehr offen, man muss da auch kein bestimmtes Projekt haben. Man kann einfach kurz seine Arbeit beschreiben, man schickt sein Portfolio und dann schauen die, ob das dazu passt oder nicht.
STROBO: Sie haben in einem Videoporträt gesagt, dass Sie nicht wissen, ob Sie Kunst überhaupt mögen. Was nervt Sie so sehr an der Kunst?
Magdalena Los: Das kann ich gar nicht in einem Satz beantworten. Wenn man etwas beruflich macht, was einem viel bedeutet und damit in die Welt geht, begibt man sich in ein System mit festgelegten Regeln. Dort stößt man auf Widerstände oder findet plötzlich Sachen heraus, die man in einem Schutzraum ignorieren könnte oder sich nie hätte träumen lassen. Man fragt sich kontinuierlich: „Ist das eigentlich richtig so, was da passiert?“ Ich muss auch oft Dinge tun, die ich gar nicht tun möchte, aber so funktioniert dieses gesamte System eben. Das gibt es in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, aber bei der Kunst ist es schwieriger, weil man viel opfert, um Künstler:in zu sein.
STROBO: Haben Sie manchmal Angst, dass Sie den Vorstellungen nicht gerecht werden?
Magdalena Los: Das spielt keine Rolle. Angst habe ich nie, zumindest nie mit dem, was ich mache. Wenn ich selbst denke, dass es so richtig so ist und genauso wie es sein muss, vertraue ich meinem Gefühl.
STROBO: Wie hat sich Ihr Verhältnis zur analogen und digitalen Kunst verändert, seitdem durch
die Corona-Pandemie vieles noch digitaler und virtueller geworden ist?
Magdalena Los: Ich habe während Corona mein Atelier aufgeben müssen, da ich es nicht mehr bezahlen konnte. Alle meine Nebenjobs sind weggebrochen, mein Atelier war nicht mehr da, ich wusste nicht mehr so richtig: Kann ich die Wohnung bezahlen? Woher kommt das Geld? Die Frage war also: „Wie kann ich weitermachen?“ In genau dieser Situation habe ich mich dazu entschieden, erstmal alles digital zu machen, mein Atelier sozusagen in den digitalen Raum zu verlegen.
Vor Corona habe ich mit unterschiedlichen Materialien gearbeitet und mich verschiedener Medien bedient. Ich habe viel mit Filz gemacht, auf Latex gemalt, Performances gemacht, mit Kaffee auf Seide gedruckt. Um digital zu malen, braucht man keinen speziellen Raum, Produkte und Materialien müssen nicht gelagert werden. Es ist keine finanzielle Vorleistung für die Materialisierung notwendig.
STROBO: Sie sind Ende Januar in Dortmund angekommen. Was waren Ihre ersten Eindrücke vom Ruhrgebiet und wie nehmen Sie es jetzt mittlerweile wahr?
Magdalena Los: Ich war hier schonmal, ich habe hier Freunde. Deswegen habe ich mir auch Dortmund als Residenz ausgesucht. Die Stadt ist schon ein roughes Pflaster, gerade hier in der Nordstadt. Aber ich bin in Bremen in einer ähnlichen Umgebung aufgewachsen, mich schockt gar nichts. Ich finde es aber auch gut, wenn man auch außerhalb seiner eigenen Komfortzone unterwegs ist. Mich interessiert die Architektur hier, die ich bei langen Spaziergängen auf mich wirken lasse.
Bild: Magdalena Los, 2021. Wie erkläre ich’s meinem Kind? Digitale Malerei. 7016 x 4961 Px.
STROBO: Mitte Januar wurde Ihre Ausstellung „Lucid Dreams“ in der Artothek in Köln eröffnet. Sie sagten in einem Interview, dass es gerade bei digitaler Kunst eine große Diskrepanz zwischen dem gibt, was möglich scheint und was möglich ist. Spiegelt sich das auch in der Thematik Ihrer Ausstellung wider?
Magdalena Los: Ich habe manchmal solche Träume. Das ist wirklich sehr verrückt, weil ich dann weiß, dass in diesem Augenblick alles möglich ist – aber eben nur auf Traumebene. Auch wenn man weiß, dass man alles kann, ist einem ebenso klar, dass es von begrenzter Dauer ist. Man weiß ebenso: In der Realität herrschen andere Regeln.
Und das interessiert mich: Lässt sich das übertragen? Was ist überhaupt die Realität, was ist der Traum? Da ist die Verwandtschaft zum Digitalen: ein Raum, in dem man scheinbar alles denken kann. Der luzide Traum ist dem Digitalen voraus, weil dort tatsächlich alles möglich ist. Aber es bleibt eben auf einer anderen Bewusstseinsebene. Sobald man es in die Realität holen möchte, ergeben sich die ganzen Probleme.
STROBO: Auf Ihrer Website kann man zwischen den Zeilen lesen, dass Ihr Weg zur Kunst nicht immer leicht war und Sie sich oft für Ihren Beruf rechtfertigen mussten. Wie sind Sie damit umgegangen und inwiefern hat das Ihre Einstellung zur Kunst verändert?
Magdalena Los: Es gibt viele Klischees bezüglich künstlerischer Arbeit. Und ich glaube das ist ein häufiges Problem, wahrscheinlich auch nicht nur bei mir. Man soll sich und seine Arbeit rechtfertigen, auch innerhalb der Familie. Die Berufs- und Lebenswelten überschneiden sich kaum. Das ist natürlich mit einer gewissen Frustration verbunden. Es hat trotzdem auch etwas Gutes. Ohne diese Widrigkeiten würde man viele Dinge vielleicht gar nicht hinterfragen und sich damit auseinandersetzen.
STROBO: Also ist die Kritik an der Kunst für Sie eine kleine Inspiration?
Magdalena Los: Es ist auf jeden Fall etwas, was mich beschäftigt und woran ich mich auf eine gewisse Art und Weise abarbeite.
STROBO: Was wollten Sie künstlerisch während der Residenz in Dortmund schaffen?
Magdalena Los: Ich habe die Zeit hier genutzt, um viel zu lesen, anzuschauen und Skizzen anzufertigen. Man muss mit der Energie, die man investiert, auch haushalten. Ein wichtiger Aspekt der künstlerischen Arbeit ist ja auch ein vermeintliches Nichts-Tun. Das kann auch durchaus der Luxus eines solchen Stipendiums sein: Die Dinge einfach laufen lassen.
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