Deutschpop mit politischer Haltung – Finn & Jonas im Porträt

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Finn und Jonas Ulrich aus Dortmund machen als Duo zusammen Deutschpop. Dabei ist ihnen vor allem wichtig, politisch Haltung zu zeigen. Heute releasen die 22-Jährigen mit „2 DUMME KEIN GEDANKE“ die erste Single ihres Debütalbums.

Es ist gemütlich in der Hütte mitten in einem Garten im Dortmunder Süden. Der Dunst der letzten Gewittertage ist durch die Mauern gezogen und vermischt sich mit dem Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee. Unter der Fensterfront zur Linken reihen sich Gitarren und Ukulelen aneinander. Sie stehen auf einem cremefarbenen Teppich mit braunen Vintage-Blumen. In der rechten Ecke ein dunkelbraunes Klavier. Hier machen Finn und Jonas Ulrich ihre Musik: entspannten und gitarrenlastigen Deutschpop mit Message. Die Hütte ist ihr Studio, das sie sich im vergangenen Jahr selbst gebaut haben. 

„2 DUMME KEIN GEDANKE“: Finn und Jonas releasen erste Single ihres Debütalbums

Heute releasen sie mit „2 DUMME KEIN GEDANKE“ die erste Single ihres Debütalbums, das im März nächsten Jahres herauskommen soll.  In dem Song geht es um ihre Beziehung zueinander, um ihre Unterschiede genau wie das, was sie verbindet. „Der Song ist ein super Einstieg in unser Album, weil er uns sehr gut beschreibt“, erzählt Finn. „Ich bin zum Beispiel deutlich lauter und extrovertierter, wenn ich mit Freunden unterwegs bin. Mich stört es nicht, wenn ich fünf Dezibel zu laut bin und ich nehme weniger das Blatt vor den Mund”, erzählt Jonas. “Wenn wir auf der Bühne sind, kann ich mein Maul aber nicht so gut aufmachen wie Finn“, ergänzt er. 

Die Brüder machen schon seit vielen Jahre hobbymäßig zusammen Musik. Auf den Bühnen in Deutschland stehen sie aber, seitdem sie 2017 an der Songwriter-Castingshow „Dein Song“ vom KiKA teilgenommen haben. Damals sind die beiden mit ihrem Song „War Girl“ und der Betreuung von Lions Head in das Finale der Show gekommen – für sie war die Teilnahme der Auslöser, professionell Musik machen zu wollen. 

 „Der Hauptproduzent der Sendung ist eine Filmfirma, die sehr eng mit einem Tonstudio zusammenarbeitet. Und die kamen nach der Show zu uns und meinten, wir sollten uns echt überlegen, ob wir Musik machen wollen“, erzählt Finn. Während Jonas nach der Show in einem Kinderheim in Nepal gearbeitet hat, hat Finn ein halbes Jahr ein Praktikum bei dem Tonstudio in Darmstadt gemacht: „Und als Jonas dann wiederkam haben wir ein Labelangebot bekommen. Ab dem Punkt war klar – ab jetzt nur noch Musik.“

Finn und Jonas: Kneipenkonzerte und Leben im Auto

Im Gespräch erzählen die beiden von ihrem Weg in die Musik. Davon, wie sie ein halbes Jahr zu Beginn ihrer Musikkarriere in Frankfurt in ihrem Citroën Berlingo gewohnt haben, weil sie zu der Zeit nicht genug Geld für eine Wohnung hatten. Vom Duschen in Freibädern und im Gebäude des Tonstudios, weil sie sich gut mit dem Vermieter verstanden haben. Davon, wie sie sich nach einem Jahr ein 12-Quadratmeter-Zimmer in Offenbach leisten konnten.  

Eine Zeit, die für die beiden anstrengend war. „Man fährt zum Beispiel fünf Stunden nach Erlangen, will da ein Konzert spielen und dann sind zwei Leute im Publikum und man steht zu zweit auf der Bühne. Das macht zwar alles Spaß, aber wenn man es dann das zwanzigste Mal gemacht hat, ist es auch anstrengend“, so Finn. „Und wir haben uns auch gut gezofft in der Zeit“, erzählt er lachend. „Das Ganze war zwar Horror, aber es war auch ganz geil, dass wir mit 18 und 19 Jahren tun und lassen konnten, was wir wollten“, so Jonas. 

Neben Kneipenkonzerten haben die beiden auch als Straßenmusiker gearbeitet. Dabei ist ihnen eine Situation besonders im Kopf geblieben. „Wir haben in einer Einkaufspassage Musik gemacht, als auf einmal Edin, der Magisch mit Olexesh gemacht hat, mit einer Rap-Combo aus zehn Leuten vor uns stand. Alle hatten Goldketten um. Dann sollten wir irgendwie drei Akkorde spielen, er hat uns was vorgesungen, einen Fuffi in die Hand gedrückt und meinte ,Ey Jungs, voll geil!‘ Das war so peinlich“, erzählt Jonas. 

„Wir haben schon etwas zu sagen“ – Finn und Jonas zeigen politische Haltung 

Heute sind die beiden 22 und singen im Gegensatz zu ihrem Song beim KiKA nicht mehr auf Englisch, sondern auf Deutsch. Das liegt auch daran, dass die beiden großen Wert auf die Aussage ihrer Texte legen: „Dadurch, dass wir die politische Schiene fahren wollten, ist es schwierig, sich über komplexe Themen zu unterhalten, wenn das Vokabular fehlt“, so Finn. 

Die politische Ausrichtung ihrer Texte sei ein Grund, weshalb sie sich nicht mit dem Image identifizieren, dass die Teilnahme an der KiKA-Show bei ihnen aufgebaut hat. „Das wird dir natürlich immer angehaftet. Ich finde das nicht schlimm, aber das ist nicht die Attitüde, die wir jetzt gerade haben wollen“, so Finn. „Man wird halt zu Familienfestivals eingeladen und muss dadurch dann gegebenenfalls auf Songs verzichten. In unserem Song Spielzeugladen geht es darum, dass man Frauen nicht schlagen soll, da wurde uns dann hinterher vorgeworfen, dass wir vor kleinen Kindern nicht über Gewalt singen sollen.“

Mittlerweile wohnen Finn und Jonas wieder in Dortmund, haben ein neues Tonstudio, Management und mit „ROOF Music“ aus Bochum ein neues Label. Sie wollten einen musikalischen Image-Bruch. „Unser altes Label wollte eher, das wir in die Schiene des kommerziellen Deutschpops wie Max Giesinger gehen, wir haben aber immer gesagt, wir wollen Indie-Mucke machen. Wir machen keine Musik, um krass Geld zu verdienen – wir haben schon etwas zu sagen“, so Jonas. 

Mit Crowdfunding zum Debütalbum

Für die beiden ist Popmusik mit politischer Haltung vereinbar: „aber bis auf Bosse und Clueso gibt es das nicht und wir fragen uns, warum. Warum dürfen nur Bands wie Kraftklub über Politik sprechen?“, so Finn. Man könne mit Popsongs und vernünftigen Themen viel mehr Leute erreichen. „Wir unterhalten uns in unserer Freizeit viel über Politik, wir lesen beide viel Zeitung und hören Nachrichten – es wäre eine Schande, das nicht in die Texte einfließen zu lassen“, ergänzt er. 

Nach den vielen Jahren Musik zusammen hätten Finn und Jonas nun zum ersten Mal das Gefühl, dass sie ihre Musik selber gut finden, was vorher nicht immer so gewesen sei. „Wenn mich jemand fragt, was ich mache, würde ich jetzt sagen, dass ich Musik mache“, so Finn.

Auch auf ihrem Instagram-Account zeigen Finn und Jonas klare politische Haltung, spielen auf Prides, positionieren sich gegen Rassismus. Ihre Songs handeln mal von der globalen Erderwärmung, mal von postfaktischem Denken. Umso absurder war für sie, als ein AfD-Abgeordneter ihr Lied „Fühl‘ mich irgendwie verarscht“, in dem es um die globale Erderwärmung geht, für ein Video benutzt hat. „Das ist genau das, was wir nicht wollen. Textlich geht es genau um das Gegenteil von dem, was die AfD repräsentiert“, so Jonas. 

Auf ihrem Debütalbum lösen sich die beiden ein Stück von ihrem sonst typischen zweistimmigen Gesang, der für ihre vorherigen Songs charakteristisch war, und haben viele verschiedene Genres ausprobiert. Um sich das Album zu finanzieren, das zuerst als neue EP angedacht war, haben die beiden zusätzlich zur Förderung von der Initiative Musik Geld per Crowdfunding gesammelt.

Finn und Jonas: Konzerte in diesem Jahr 

Das Ziel der beiden sei es, von der Musik langfristig auch ohne Nebenjobs Leben zu können – und mit den Menschen weiterarbeiten zu können, mit denen sie aktuell arbeiten. „Mit Musik Geld zu verdienen ist sau schwierig. Ich habe genau 500 Euro im Monat und das war’s – bis Februar habe ich Geld und hoffe, dass dann wieder Konzerte anstehen“, sagt Finn. Das sei, was die beiden am liebsten machen.  In diesem Jahr stehen Finn und Jonas noch auf einigen Bühnen. Unter anderem spielen sie am Sonntag, 8. August, als Support für Pohlmann im Dortmunder Junkyard oder am Sonntag, 29. August, beim Kultursommer Hörde.

Für die beiden bedeute Musik auch Durchhaltevermögen. „Das muss man erst einmal 20 Jahre durchziehen, nicht den Mut verlieren und sein Selbstvertrauen bewahren. Ich glaube, irgendwann wird man dafür belohnt“, so Jonas. 

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