„Gelsenkirchen ist eine sehr starke Dönerstadt” – Dönerkunde im Interview

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Der Döner gehört zu den Top Fastfood-Produkten im Ruhrgebiet. Das Angebot ist riesig. Der Reviewer Dönerkunde, der mittlerweile im Internet hohes Ansehen genießt, probiert sich dabei durch das Ruhrgebiet und gibt Orientierung. Ein Interview mit Fragen, die vielen auf der Zunge brennen.

Mitten im Herzen des Ruhrgebiets – im Herner Stadtteil Holsterhausen – liegt in einer Wohnsiedlung der Deniz Grill. Die Lage ist untypisch für einen Dönerimbiss. Laufkundschaft verirrt sich hier nicht hin. Nichtsdestotrotz wird der Laden, der in zweiter Generation von Mehmet Kanuncu und seiner Frau Melanie geführt wird, rege besucht. Immer wieder entstehen nach aufgegebener Bestellung lange Gespräche über die letzte Woche, das Leben und Fußball. Hier treffen wir Dönerkunde, der von Mehmet liebevoll umarmt wird.

STROBO: Gefällt dir hier der Döner am besten?

Dönerkunde: Der Spieß wird hier selbst gemacht. Das ist immer ein Hinweis auf gute Qualität. Außerdem mag ich die Atmosphäre hier. Aber ich war jetzt bei mehr als 100 Buden und habe noch nicht den perfekten Döner gefunden. Das werde ich wahrscheinlich auch nie und das ist auch okay.

STROBO: Wie schmeckt in deiner Vorstellung der perfekte Döner?

Dönerkunde: Ich mag die Dönerart, wie sie in Gelsenkirchen hergestellt wird. Da steckt fast jeder Laden seinen Dönerspieß selbst. Die haben alle einen bestimmten Eigengeschmack. Das Fleisch ist nicht knusprig, sondern weich und relativ dunkel. Außerdem hat es milchig- käsige Noten und ist sehr saftig. Ich habe die Vermutung, dass es mit Oregano gewürzt wird und deswegen die Assoziation „milchig-käsig“ im Gehirn ist. Das kennt man von der Pizza.

STROBO: In welcher Reihenfolge sollte ein Döner zusammengestellt werden?

Dönerkunde: Die Frage beherbergt einen Zielkonflikt, den man bedienen muss. Wenn man ein Parameter verbessert, wird ein anderer schlechter. Nehmen wir als Beispiel die Frage, wann die Soße ins Spiel kommt. Die beste Verteilung hat man sicherlich, wenn man das Brot mit der Soße ausstreicht. Dann kann es aber passieren, dass das Brot aufweicht. Wenn du die Soße vor dem Salat auf das Fleisch gibst, hat man den Nachteil, dass die kalte Soße auf dem warmen Fleisch liegt und so Geschmack verloren geht. Die schlechteste Verteilung bekommt man bei der Kombination Fleisch-Salat-Soße. Dafür weicht das Brot nicht auf. Es ist also ein Trade-Off.

Foto: Patrick Zajfert.

STROBO: Wie bist du auf die Idee gekommen Döner zu reviewen?

Dönerkunde: Früher habe ich noch im Essener Nordviertel gewohnt. Da steht Laden an Laden. Ich habe immer gern und viel Döner gegessen aber hatte noch nie einen Stammladen. Deswegen habe ich mir gedacht, dass ich jeden Laden einmal gezielt ansteuern und mir Notizen machen müsste.

STROBO: Warum wiegst du jeden Döner?

Dönerkunde: Ich bin gestartet mit sehr preisgünstigen Dönern. Die Döner sind dafür auch winzig klein. Sie wiegen so 300-350 Gramm. Ich hatte schon damals ein bisschen die Ahnung, dass Preis und Gewicht miteinander korrelieren. Außerdem habe ich eine Affinität für Zahlen, Listen und Tabellen.

STROBO: Welche Erfahrungen hast du durch das Reviewen gemacht?

Dönerkunde: Dass es lokale Unterschiede gibt, fand ich beeindruckend. Gelsenkirchen rangiert in allen Indizes zur Lebensqualität auf dem letzten Platz. Die Stadt hat furchtbare Rahmenstrukturdaten. Dass da dann ein guter Döner gemacht wird, ist kontraintuitiv.

STROBO: Gibt es tatsächlich städtische Unterschiede?

Dönerkunde: Ich habe jetzt noch nicht so viele Städte durch, dass ich einen Überblick hätte, aber doch, Gelsenkirchen ist eine sehr starke Dönerstadt und Essen eine sehr schwache.

Foto: Patrick Zajfert.

STROBO: Den einheitlichen Döner gibt es nicht. Jeder Döner ist anders. Warum gibt es keinen marktdominierenden Akteur?

Dönerkunde: Das hat einen Imagehintergrund – ähnlich wie bei der Pizza. Niemand würde auf die Idee kommen, die für fremdartig zu halten. Früher war das anders. Da gab es zum Beispiel den Spitznamen „Mafiatorte“. So hat sich auch der Döner, ähnlich wie bei der Pizza, zu einem inhaberzentrierten Markt entwickelt, aus dem nur langsam große Ketten emporsteigen. Dennoch erhält das Franchising-Konzept langsam Einzug beim Döner. In Essen gibt es zum Beispiel den Laden Taste of Berlin, der jetzt expandieren möchte. Der Rapper Massiv bringt jetzt auch ein Konzept mit Döner an den Start.

STROBO: Dass es so viele Läden gibt, zeigt ja auch wie beliebt der Döner ist. Hast du eine Vermutung wieso?

Dönerkunde: In der Biologie gibt es den Begriff der Verkrabbung, der beschreibt, dass sich in der Entwicklungsgeschichte Krebstiere immer wieder und unabhängig voneinander krabbenförmig entwickelt haben. Die Krabbenform scheint also evolutionär sinnvoll zu sein. Ähnlich verhält es sich wohl mit Teigtaschen, die mit Fleisch und Gemüse gefüllt werden: Döner, Gyros, Schawarma, Taccos oder aber auch Sandwichklassiker wie das BLT Sandwich mit Schinken, Tomate und Salat. Diese strukturelle Form ist einfach sinnvoll und deshalb rund um den Planeten immer wieder unabhängig voneinander entstanden. Der Mensch scheint also grundlegend gern diese Form zu essen.

Als das Interview vorbei ist, bringt uns Mehmet zwei Döner aufs Haus. “Einmal wie immer” hatte Dönerkunde zuvor bestellt.

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