Interview: The Honeyclub veröffentlichen EP „Imagine Life“

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The Honeyclub aus Bochum haben heute ihre neue EP „Imagine Life“ veröffentlicht. Im Interview erzählen die drei Musiker, wieso sie sich damit musikalisch von ihrem alten Stil gelöst haben, was ihnen Rock’n’Roll bedeutet und wie sie zu einem Debütalbum stehen.

STROBO: Eure neue EP „Imagine Life“ zeigt einen großen Stilbruch zu den beiden Vorgänger-EPs, ihr löst euch vom klassischen Rock’n’Roll-Sound und nutzt beispielsweise vermehrt Synthesizer. Wie seid ihr zu der Entwicklung gekommen?

Lukas Schwermann: Das war intuitiv und relativ frei von Einflüssen – wir haben uns aber bewusst für den Bruch entschieden. Wir wollten etwas Neues machen und musikalisch weitergehen.

Alexander Böhmer: Genau, Dinge nutzen sich mit der Zeit ab und dann probiert man etwas Neues aus.

STROBO: Löst ihr euch dadurch auch von der Einordnung als Rock’n’Roll-Band?

Lukas: Überhaupt nicht. Für uns ist Rock’n’Roll eine Begrifflichkeit, die sich nicht an einem Sound festmachen lässt, sondern an der Einstellung, die dahintersteckt. Die umfasst vor allem, dass man eine gewisse Positivität vermitteln will, ohne zu eindimensional oder zu stumpf zu werden. Früher hat Rock’n’Roll für uns bedeutet, ein Gefühl von Easy-Living zu zeigen. Das findet man auch auf der neuen EP. Es ist aber in den Hintergrund gerückt, was auch etwas mit einem Reifeprozess zu tun hat. Wir meinen noch das Gleiche, drücken es aber weniger flapsig aus.

The Honeyclub aus Bochum bringen heute ihre dritte EP „Imagine Life“ raus.
Foto: Samir El Hannaoui.

STROBO: Eure EP habt ihr in Barcelona zusammen mit Alberto Perez Sanchez produziert, der auch schon für Rosalía gearbeitet hat. Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

Lukas: Ich habe mich früher häufiger in Barcelona herumgetrieben und kenne daher Menschen aus der dortigen Musikszene. Wir wussten, dass wir die Platte im Frühjahr aufnehmen wollten und wollten dafür sowieso raus – da hat es sich angeboten, in Spanien statt in Deutschland zu sein, weil es dort etwas erträglicher ist. Ich habe mich dann vor Ort mit Alberto Perez unterhalten und mir sein Studio angeschaut und das ist einfach klasse.

Alexander: Wenn man sich das Resultat anhört, weiß man, dass G. Lou mit seinem Bauchgefühl total richtig lag. Schön war auch, dass wir in Barcelona nur uns drei hatten und uns auch nach den Aufnahmen noch austauschen konnten. Dann sind wir mal was essen, mal was trinken gegangen, mal an den Strand, und haben uns auch nach dem Studiotag die Zeit für uns gegeben. Dadurch konnten wir uns wirklich auf die EP konzentrieren.

STROBO: Inwiefern hat euer Produzent euren Sound geprägt?

Jonas Klein: Wir konnten mit ihm vor allem gut umsetzen, was wir bereits hatten und haben ihm einen sehr guten Arbeitsprozess zu verdanken. Wir haben gut miteinander arbeiten können, weil sein Workflow gut zu unserem gepasst hat.

Alexander: Er hatte auch gutes Equipment. Für das Outro von „Fishes“ brauchten wir zum Beispiel ein paar Streicher – und um uns die zu geben, hat er sich kurz an einen Kontrabass gestellt. Eine schöne Anekdote ist auch, dass wir ganz klischeehaft im Outro des Songs Meeresrauschen haben wollten. Dafür sind Jonas und ich zum Meer gestapft, haben für 20 Minuten das Meeresrauschen aufgenommen und es danach direkt in den Rechner eingespeist – da war er auch total offen für.

Die Bochumer Band The Honeyclub beim Fotoshooting.
Die Bochumer Band The Honeyclub im STROBO-Interview. Foto: Samir El Hannaoui.

STROBO: „Fishes“ arbeitet mit fast zugespitzten Phrasen wie „Fishes don’t fish“, wodurch die Tiefe des Songs erst auf den zweiten Blick erkenntlich wird. Wie wichtig ist euch Ironie in eurer Musik?

Lukas: Ironie ist kein Ziel von uns, es ist uns aber wichtig mit Bildern zu arbeiten. Hinter „Fishes“ steckt eine sehr persönliche Geschichte. In meiner Familie hat es einen Suizidfall gegeben. Durch den Song habe ich die Fragen verarbeitet, mit denen ich sonst nicht konfrontiert wurde. Das sind sehr existenzialistische Fragen gewesen. Dazu passt für mich das Bild von Fischen, die sich fragen, ob es mehr über der Wasseroberfläche gibt und welche tatsächliche Größe und Wichtigkeit die Lebenswelt hat.

STROBO: Wie gelingt es dann, mit einfachen Texten komplexe Themen zu vermitteln?

Lukas: Man muss sich klar darüber sein, was man sagen will. Und es dann mit so wenig Worten wie möglich sagen.

Wenn man mal sehr auf die Fresse geflogen ist, hört man sich „Sneakers in Snow“ an.

Alexander Böhmer, The Honeyclub, über die EP

STROBO: Im STROBO-Interview im Frühjahr hat G. Lou erzählt, dass man eure EP mit einer gewissen Tiefe, aber auch mit einer totalen Leichtigkeit hören können soll. Wieso war euch das wichtig?

Alexander: Die EP an sich ist ja sehr divers. Bislang haben mir viele Leute erzählt, was ihre Lieblingstracks sind, und das ist immer sehr unterschiedlich. Das finde ich sehr schön, weil jeder hört, auf was er sich am besten einlassen kann und was seiner Grundstimmung entspricht.

Viele haben mir zum Beispiel gesagt, dass sie große Fans von „Ohh, What Can I Do“ sind, weil es einfach ein Gute-Laune-Hit ist. Wenn man den Song hört, kann man sich schon vorstellen, mit seinen Freunden Richtung Strand zu fahren und Party zu machen. Wenn man sich in einer anderen Situation befindet, gibt einem „Fishes“ vielleicht mehr und wenn man mal sehr auf die Fresse geflogen ist, hört man sich „Sneakers in Snow“ an. Die Songs gehören alle zu dem Konzept der EP, sind aber alle so divers, dass jeder etwas daraus mitnehmen kann. Nicht jeder muss sich auf die Tiefe von „Fishes“ einlassen, es wäre aber möglich.

Lukas: Ich bin auch kein Fan davon, wenn Kunst eine reine Zurschaustellung eigener Kommunikationsbedürfnisse ist. Es hat für mich keinen Mehrwert, nur eine gewisse Wehleidigkeit vermittelt zu bekommen. Das ist das, was mir an dieser EP wichtig ist und ich auch an ihr schätze: Man kann all diese Gefühle erfahren, muss es aber überhaupt nicht.

The Honeyclub sprechen im Interview über ihre neue EP Imagine Life.
Foto: Samir El Hannaoui.

STROBO: Eingerahmt werden die Songs eurer EP von den Tracks „Dynamo“ und „Dynamo Reprise“. Wieso habt ihr euch dafür entschieden?

Alexander: Dynamo ist eine Metapher für die Sonne, die auch das Zeichen des Lebens ist. Sie ist etwas, das immer am Anfang und Ende vom Leben steht. Das passt zum Titel „Imagine Life“.

Lukas: Die EP ist eine Beobachtung ausgewählter Facetten des Lebens und „Dynamo“ ist ein Track, der sich inhaltlich mit einer gewissen Permanenz auseinandersetzt. Dass das Thema die EP einrahmt, zeigt: Wir können diese und jene Emotion erleben und fühlen, darunter liegt aber eine bestimmte Konstanz. Ein klares Beispiel wäre dafür zum Beispiel der Zyklus der Jahreszeiten oder des Tagesverlaufs. Das steht im Kontrast zu unserer alltäglichen Erfahrungswelt, die ja oft durch Unsicherheiten und Unregelmäßigkeiten geprägt ist. „Imagine Life“ beschäftigt sich aber auch mit dem Leben, indem sie Perspektiven aufweist.

STROBO: Welche Perspektiven sind das genau?

Lukas: In unserem konkreten Fall heißt das, dass wir nicht Episoden aus dem Leben erzählen – also was mir passiert ist und wie es mir geht. Stattdessen fangen wir Teilaspekte des Lebens ein und geben diese Erfahrungen wieder. In „Fishes“ geht es ja zum Beispiel um die Sehnsucht nach Sinn und übergeordneten Bedeutungen. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal guter Kunst, dass ich ein Thema aus einer bestimmten Perspektive mit einem neuen Input betrachten kann. Auch die Kontrasterfahrungen zwischen Konstanz und einem unsicheren Leben ist eine der Perspektiven, aus denen man das Leben betrachten und in denen man das Leben darstellen kann.

The Honeyclub aus Bochum. Foto: Samir El Hannaoui.

STROBO: Die EP ist bereits eure dritte – wann können wir euer Debütalbum erwarten?

Alexander: Das ist schwer zu sagen, weil es darauf ankommt, was als Nächstes von uns kommt. Wir haben schon ein paar Songs in der Pipeline, was am Ende dabei rauskommt, steht aber noch gar nicht fest.

Lukas: Es ist auch wichtig, sich die Frage zu stellen, ob man ein Album wirklich braucht. Ich würde es mir für die Zukunft wünschen, aber ich habe keine intrinsische Motivation, ein Album zu schreiben, wenn es keinen Grund gibt, dass es existiert. Es braucht für mich schon einen Mehrwert, der eine reine Auflistung von Songs überschreitet.

STROBO: Heute findet auch eure Release-Party im Schlegel Kultur Club in Bochum statt. Was steht für euch Live noch in nächster Zeit an?

Lukas: Wir haben uns dazu entschieden, mit dem EP-Release das Jahr für uns abzuschließen. Das Booking für das nächste Jahr läuft aber auf Hochtouren. Sobald die Termine feststehen, erfährt man das aber auf jeden Fall bei Instagram oder auf unserer Website.

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