Nach fast sechsjähriger Sanierung kann das Kunstmuseum Mülheim im Mai endlich seine Eröffnung feiern. Die Eröffnungsausstellung „Im Herzen wild“ trägt ihren Namen nicht ohne Grund. Die Kuration der Kunstwerke erfolgte mit einem neuen, frischen Blick auf die Dinge. Die Kulturdezernentin Dr. Daniela Grobe und Museumsleitung Dr. Stefanie Kreuzer haben STROBO einen kleinen Einblick in die neuen Sammlungspräsentationen gegeben.
Nimmt man vom Hauptbahnhof den direkten Weg durch das Einkaufszentrum, muss man zum Kunstmuseum Mülheim an dem Hajek-Brunnen vorbei. Einem großen, bunten und weitläufigen Konstrukt, dass die Verbindung zwischen Kunst und der Stadt einleitet. Dahinter erhebt sich eindrucksvoll das alte Postgebäude, das nun das Kunstmuseum in Mülheim beherbergt. In einem denkmalgeschützten Altbau dieser Größenordnung die Haustechnik auf den neuesten Stand zu bringen, war eine Herausforderung. Um die alten Gemälde der Sammlungen angemessen schützen zu können, muss schließlich alles perfekt funktionieren. Die Kompromisse zwischen moderner Technik und historischem Gemäuer stellten sich als eine ganz eigene Form der Kunst heraus.
Doch auch darüber hinaus hat sich in der Zeit viel getan. Wenn man „mit einem wachen Auge durch das Haus geht, dann muss ich sagen, sieht man auch Veränderungen“, verrät Daniela Grobe: „Die haben dann weniger mit der Sanierung zu tun und mehr mit der neuen Leitung.“ Die Rede ist von Stefanie Kreuzer, die ihre Position als Museumleiterin erst seit Oktober letzten Jahres bezieht. Hört man die beiden reden, wird schnell deutlich, welche Veränderungen hier gemeint sind: Kunst soll nicht länger eine passive Rolle einnehmen, sondern interaktiv und auch politisch werden.
Umgestellt und neu gedacht
Zuerst gibt es da ein ausgiebiges Repertoire an Werken der Klassischen Moderne, das sich aus der Städtischen Sammlung und der Sammlung der Stiftung Ziegler zusammensetzt. Stefanie Kreuzer betitelt es liebevoll als das „Herz des Hauses“. Unter dem Namen „Brücke – Bauhaus – Blauer Reiter“ stellt die Sammlungspräsentation dann die Epoche und ihren Zeitgeist aus verschiedenen visuellen Beleuchtungspunkten zur Schau.
Im zweiten Teil, der „Sammlung +“, erstrecken sich thematisch sortierte Räumen über das obere Geschoss des Museums. Hier: Kunstwerke von 1945 bis in die Gegenwart. Bei der Auswahl wurde hier besonderes Augenmerk darauf gelegt, aktuelle gesellschaftliche Themen zu behandeln. Allen voran steht der feministische Aspekt. „Was wir verändert haben, ist der Ansatz. Es soll kein Museum sein, das eine Kunstgeschichte nur bebildert. Es soll sich öffnen und Spaß machen mit Themen, die heute aktuell und relevant sind“, erklärt Stefanie Kreuzer: „Da geht es um Fragen des Empowerments“. Dass eine Geschichte nicht erzählt wurde, bedeutet nicht, dass sie nicht stattgefunden hat. Und so gehen die Geschichten von vielen Frauen, Minderheiten und ihren originellen Ideen in der Kunsthistorie oft unter. Dem soll dieser Ausstellungsteil entgegenwirken. Er regt zum Nachdenken an, um neue Perspektiven zu beleuchten.
„Es ist prima, dass es sich wirklich öffnet für andere Zielgruppen, dass es hineingeht in die Stadt und diese Offenheit zeigt“, beschreibt Daniela Grobe diese Entwicklung. Und die „Offenheit“, von der sie spricht, hat nicht nur im übertragenen Sinne Relevanz. Das Konzept wird nämlich auch aktiv die Umwelt eingebunden. In Mülheim findet die Kunst nicht nur im Museum statt, sondern auch auf der offenen Straße. Allen voran bietet sich in einem der Ausstellungsräume der Blick durch ein Fenster auf den bereits erwähnten Hajek-Brunnen, sodass dieser auch im Raum einen Teil zur Ausstellung beiträgt.
Kunstmuseum Mülheim: Die Bildung steht im Vordergrund
Austausch und Weiterbildung gehen hier Hand in Hand. Auf einen guten Dialog folgt eine Erkenntnis. Auch im Kunstmuseum Mülheim spielt dies eine übergeordnete Rolle: Die Bildung über Kunst und Kultur wurde und wird weiter in den Vordergrund gerückt. Der Raum mit dem Namen „Wie kommt die Kunst ins Museum?“ veranschaulicht die Reise eines Kunstwerkes durch verschiedene Städte und Länder und bildet die Aufgaben des Kunstmarktes, der Kunstsammelnden und den Einfluss der Politik leicht verständlich ab.
Diese Zusammensetzung innerhalb der Ausstellung eröffnet neben der Zurschaustellung von Werken niedrigschwellig den Zugang zu den komplexen Vorgängen hinter den Kulissen. Zusammengestellt und ausgearbeitet wurde der Raum von der Zuständigen für Bildung und Vermittlung im Kunstmuseum Mülheim, Barbara Walter.
Die Wiedereröffnung nach der Renovierung ist also nicht nur ein rein technischer Neuanfang für das Kunstmuseum Mülheim. Sie ist gleichzeitig ein Aufbruch in Richtung Austausch und Perspektivwechsel. Der Name der Ausstellung „Im Herzen wild“ ist Programm: „Wild ist für mich das, was Kunst eigentlich kann. Das heißt, Kunst ist in der Lage, uns herauszufordern und eingetretene Wege zu verlassen, weil sie uns vielleicht neue Wahrnehmungsmodelle vorhält“, erklärt Stefanie Kreuzer.
Die Eröffnung findet am 25. Mai 2024 statt, wobei die Ausstellung noch bis zum 12. Januar 2025 bestehen bleibt. Es gibt also genug Zeit, mal einen Blick hineinzuwagen. Es lohnt sich.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Ein Sonntag im feministischen Lesekreis.