Sie nennt sich selbst Dancehall Terrorist und hat keine Bock immer nur über ihren Körper zu singen. TriXstar löst sich von den gängigen Dancehall-Klischees und ist damit international erfolgreich. Mit STROBO redet sie über Empowerment, Sexismus und ihre neue EP.
STROBO: TriXstar, du bist in Deutschland geboren und hast iranische Wurzeln. Reggae und Dancehall kennt man eher aus dem jamaikanischen Raum. Wie gehst du mit den verschiedenen kulturellen Einflüssen um?
TriXstar: Früher dachte ich, ich müsste die Kulturen mixen. Doch ich habe gelernt, dass ich die deutsche, iranische und jamikanische nicht vermischen kann. Zumal ich die jamaikanische auch gar nicht in mir habe. Heute bin ich einfach ich selbst. Was ich definitiv in Deutschland gelernt habe, ist die große Klappe, die hätte ich als Frau im Iran nicht haben können. Dagegen habe ich mein musikalisches Ohr von der iranischen Seite, da ich als Kind immer diese Musik gehört habe.
STROBO:Inside
Ima Ghafouri tritt als TriXstar seit mehr als zehn Jahren international auf. Die Dancehall und Reggae-Sängerin ist gebürtige Iranerin und lebt in Dortmund. In den letzten Jahren tourte sie durch Europa und spielte unter anderem beim Reggae Jam, Summer Jam und Juicy Beats Festival. Auch in Jamaika erfährt ihre Musik große Beliebtheit. Neben der Musik engagiert sich TriXstar im sozialen Bereich, in der Flüchtlingsarbeit und steht für Frauenrechte ein.
STROBO: Wenn du früher viel iranische Musik gehört hast, wie kamst du dann zum Dancehall?
TriXstar: Das war auf einer Jungle Party in Dortmund. Da habe ich zum ersten Mal gehört, wie jemand zu einem Jungle Song gechantet hat, so wie man es eben aus dem Dancehall kennt. Ich habe mich direkt darin verliebt und wusste genau: So will ich auch klingen.
STROBO: Du hast selbst in einem Interview gesagt, dass du am Anfang nicht geplant hast, Reggae- Songs zu machen. Was war dein Ursprungsplan?
TriXstar: Ich habe früher viel gerappt und später auch Dancehall gemacht. Meine Musik war da eher schnell und haudrauf. Erst mit der Zeit und auf Empfehlung eines Freundes habe ich zum ersten Mal einen Reggae-Song gemacht. Da habe ich gemerkt, dass das eigentlich perfekt für mich ist. Es ist im besten Fall immer noch tanzbar, aber man kann auch mehr Wert auf den Text legen.
Dazu kam, dass ich unbedingt auf Festivals spielen wollte. Eine Stunde lang nur Bandshow mit Dancehall zu spielen kann für einen selbst anstrengend sein. Aber auch fürs Publikum, wenn es die ganze Zeit nur so rattert.
STROBO: Du hast bisher nur Songs auf Englisch veröffentlicht. Haben dich am Anfang viele Leute gefragt, warum du nicht auf Deutsch singst?
TriXstar: Am Anfang war es hart für mich. Das liegt daran, dass ich als Frau aufgetreten bin, die Dancehall macht. Es wurde viel über meinen Akzent geredet. Viele haben mich gefragt, warum ich keine Musik auf Deutsch mache. Sie haben gesagt, ich würde so nie international erfolgreich sein. Außerdem waren viele erschrocken, dass ich kein Slackness gemacht habe, also nicht über meinen Körper und mein Sexualverhalten gesungen habe. Da muss man einfach lernen, drüber zu stehen.
Dancehall
Dancehall ist eine in den 1970er Jahren entstandene Stilrichtung des Reggae. Beim Dancehall wird nicht nur auf Rythmus geachtet. Es schwingen beim Toasting oder Chatting auch oftmals Melodien mit. Geht es dem DJ weitgehend um den Gesang, spricht man von einem Singjay. Themen im Dancehall sind Spiritualität, Sex (Slackness), Gewalt (Guntalk) und Cannabis-Konsum (Ganja-Tunes).
STROBO: 2017 bist du dann zum ersten Mal in Jamaika aufgetreten. Wie fanden die Leute dann deinen Akzent?
Die fanden ihn ganz süß und meinten, dass der zu meinem Stil gehört. Also gar nicht so schlimm wie in Europa alle getan haben.
STROBO: Wenn man an Reggae und Dancehall Acts denkt, kommen einem automatisch sehr viele männliche Interpreten in den Sinn. Wie hast du es geschafft, dich in der männerdominierten Branche durchzusetzen und als Künstlerin zu etablieren?
TriXstar: Ich hatte auf jeden Fall einen starken Willen. Ich wusste immer, wenn ich irgendwo hinkomme und es gefällt den Leuten nicht, dann muss ich nicht beleidigt sein. Dann bin ich noch nicht gut genug und muss weiter an mir arbeiten. Ich habe gelernt, dass man besonders als Frau in diesem Business nur durch Beständigkeit und harte Arbeit besteht.
STROBO: Im Dancehall gibt es häufig Sexismen. Der Körper der Frau steht oft im Vordergrund. Warum fasziniert dich die Musik als Frau trotzdem?
Natürlich gibt es Sexismen im Dancehall – aber die gibt es in jeder Musik. Gerade bei Frauen im Dancehall wie Lady Saw zum Beispiel, geht es in der Musik mehr um Empowerment. Weil man auf den Körper reduziert wird, nutzt man es als Provokation und schockt damit.
Besonders in Jamaika ist es für Frauen schwierig, sich auf der Bühne zu beweisen. Durch die Provokation kriegt man aber Aufmerksamkeit. Sexy Tanzen im Dancehall oder sich sexy anziehen bedeutet für mich nie, sich billig hergeben. Es bedeutet Empowerment.
Für mich war es eher immer schwierig, wenn Leute gefragt haben, wann ich endlich mal einen Slackness-Song mache. Man sagt immer, dass jede weibliche Künstlerin aus Jamaika einen gemacht hat, mit dem sie berühmt geworden ist. Also wird es auch von mir erwartet. Aber für mich ist Dancehall nicht nur Sex und Bling Bling.
STROBO: Deine Provokation geht aber noch ein wenig weiter als bei den meisten Künstlerinnen. Du bist unter anderem auch als Dancehall Terrorist bekannt. Wie kam es dazu?
TriXstar: In Jamaika haben alle noch einen Nicknamen und ich habe lange überlegt, wie meiner lauten könnte. Da ich aus dem Iran komme und meine Kultur dadurch eh immer mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird, nenne ich mich Dancehall Terrorist oder Terrorist of Love. Mit macht es einfach Spaß, mit dieser Provokation zu spielen.
STROBO: Du selbst sprichst in deinen Songs oft Frauen an, und ermutigst sie sich von Gender-Klischees zu lösen. Warum ist dir dieses Thema so wichtig?
TriXstar: Ich bin selbst eine Frau und kenne die Schwierigkeiten, die man in Deutschland und im Iran erlebt. Deshalb ist es mir wichtig, Frauen immer zu supporten und zu zeigen, dass jeder Mensch schön ist, so wie er ist.
Ich bin früher auch wie die übelst gestylte Bitch auf die Bühne gegangen. Doch jetzt weiß ich, dass gerade die eigenen Macken einen wunderschön machen. Vielleicht versuche ich auch wegen meines eigenen Backgrounds Frauen aus diesen Kulturen zu empowern.
STROBO: Wie kommt deine Musik und deine Message bei Frauen an?
TriXstar: Sehr gut. Für mich ist es immer das geilste auf der Bühne, wenn nach den ersten zwei Songs die ersten Reihen nur noch aus Frauen bestehen. Als Frau Männer nach vorn zu kriegen ist einfach: bisschen booty shaken und dann kommen die nach vorne gerannt. Bei Frauen ist das anders. Ich bin für das positive Feedback weltweit sehr dankbar.
STROBO: 2017 bist du zum ersten Mal nach Jamaika gegangen, um dort Konzerte zu spielen. Letztes Jahr hast du dort deine große Tournee begonnen. Was bedeutet das Land für dich?
TriXstar: Jamaika ist für mich positive Energie. Es ist unglaublich, wie so eine fremde Kultur und ein fremdes Land sich so vertraut für mich anfühlen können. Wenn ich könnte, würde ich jede Tour in Jamaika starten, um dort meine Energie aufzuladen. Dazu kommt, dass mich das Land auch als Frau gestärkt hat und stolzer gemacht hat.
STROBO: Inwiefern?
TriXstar: Mir wurde in Deutschland immer gesagt, dass ich zu hart für eine Frau sei. Aber da bin ich im Vergleich zu den Frauen in Jamaika sowas von weit von entfernt. Die Frauen im Dancehall dort gehen am Tag arbeiten und in die Kirche und werden nachts zum Supervamp. Das beeindruckt mich sehr.
STROBO: Anfang 2020 warst du noch auf Tour in Jamaika. Dann musstest du coronabedingt zurückkommen. Wie war die Zeit in Deutschland danach für dich?
TriXstar: Es war hart. Jamaika war ein wundervoller Start ins Jahr und hat mir sehr viel Energie gegeben. Die konnte ich in Deutschland wegen Corona nicht rauslassen. Aber die Situation hat mir auch die Chance gegeben, die EP „Dear 2020“ zu veröffentlichen. Ohne Corona würde es die nicht geben. Dann hätte ich stattdessen nach Jamaika 30 Konzerte in Europa gespielt.
STROBO: Deine EP „Dear 2020“ fasst dein Erlebtes des letzten Jahres zusammen. Neben Empowerment geht es auch viel um Liebe – ein Song heißt sogar explizit Love. Was bedeutet er dir?
TriXstar: Ich wollte schon immer mal einen universellen Liebessong schreiben. Sonst geht es immer um die Liebe zwischen Pärchen, manchmal zur Mutter, aber keinen der universell von allen genutzt warden kann. Anlass für den Song war aber meine kleine Schwester, die mich durch das letzte harte Jahr begleitet hat.
STROBO: Die EP kam schon im Mai raus. Was steht für die zweite Hälfte 2021 an?
TriXstar: Ich habe schon viele Anfragen für kleinere Auftritte bekommen. Ich hoffe, dass die alle stattfinden können. Sonst bin im Sommer natürlich für die Promo für die EP unterwegs. Außerdem arbeiten wir gerade an neuen Musikvideos und es gibt noch ein paar Remixes, die ich dieses Jahr releasen werde. Es wird also noch viel kommen in der nächsten Zeit.
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