Musik, Commitment und Therapie: Rapper Felikz im Portrait

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Felikz ist Rapper aus Dortmund und rappt seit 11 Jahren. Früher über Designerdrogen auf Trapbeats, heute mit tiefgründigen Texten über seine Kindheit. Mit STROBO-Autorin Pauline Wörsdörfer spricht er über seine Entwicklung, die aufregende Zeit mit Rapper Sierra Kidd und über sein jetziges Leben. 

Felikz sehe ich das erste Mal an der Uni, da läuft er auf meine Freundin Nina zu und fragt sie, woher ihre Stiefel sind. Mit überschwänglicher Begeisterung widmet er sich dieser Frage. Ein paar Tage später treffe ich ihn zum Interview im Café und lerne Felix – wie er eigentlich heißt – besser kennen. Eine viel nachdenklichere Version seiner selbst, vielleicht auch weil Herbst ist, es regnet und er gerade von einer Therapiestunde kommt. 

Felikz rappt seit elf Jahren. Foto: David Peters.

Bloß keine Schublade

Felix fällt mit seinem Äußeren auf: Er hat rote lange Haare, trägt schwarze ausladende Anziehsachen und goldene Ohrringe. Trotz oder gerade wegen seines besonderen Auftretens scheint ihm sehr wichtig, was andere Menschen von ihm denken könnten. Vieles ist widersprüchlich, was Felix tut. Das Musikbusiness stört ihn und er möchte sich lieber nur noch seinem Studium widmen – trotzdem erscheinen EPs und wenn, dann müssen sie perfekt sein und das bedeutet: in großen Teilen sind sie von ihm allein gemacht. Einen neuen Song hört er sich 70 Mal an bevor nur daran zu denken ist, dass er veröffentlicht wird. Er will sich der Musik auf keinen Fall verpflichten, landet am Ende aber doch als Act auf dem Juicy Beats. Am Anfang will er nicht unbedingt ins Studio zu Sierra Kidd, fährt dann aber doch hin, weil es eben passt. Vor drei Jahren ist Musik noch seine Therapie, heute geht er zur Therapie. 

Felix entwickelt sich stets weiter und auch als Künstler „Felikz“ tut er das. Es gibt das, was er sich früher gewünscht hat und das, was er sich jetzt wünscht. Wenn er neue Menschen kennenlernt, erwähnt er seine Musik erst nicht und später nur ausgewählte, neue Songs. Seine aktuelle Musik erinnert an Frank Ocean und Young Thug. Dazu kommen seine gefühlvollen und teilweise nostalgischen Texte, die gemeinsam mit dem elektronischen Sound eine mystische Stimmung erzeugen. Manchmal würde er gerne seinen ganzen Katalog an alter Musik löschen. All das scheint Teil seines Wesens zu sein und ist schon lange so.

Jugend in Dortmund 

Aufgewachsen ist Felix in Dortmund Aplerbeck. Das war wie in einer separaten „Kleinstadt“ zu leben, sagt er. Um dem zu entfliehen, war er oft mit dem Skateboard unterwegs: Dortmund, Bochum, in den Sommerferien Prag und Barcelona. Seine Mutter hat ihm und seinem Bruder schon früh viel Freiheit gelassen. Nachdem er als kleiner Junge ein Foto von Bill Kaulitz sieht, lackiert Felix sich mit ihrer Hilfe die Nägel und färbt sich die Haare schwarz. So erfindet er sich im Laufe des Lebens immer wieder neu und spielt mit seinem Look. Auf der jugendlichen Suche nach etwas, das ihm Identität gibt. 

Und Identität scheint für Felix schon früh über die Optik zu gehen. Auch auf die Gefahr hin, dass andere Kinder in der Schule ihn vielleicht komisch finden könnten. „Wenn mich Leute komisch finden, dann halt, weil ich mich so anziehe und nicht wegen was anderem oder so“, grübelt er über einen Satz seiner Therapeutin. 

Viele Jahre fand er in der Skateszene seinen Platz, mit 15 wurde die dann mehr und mehr durch die Musik ersetzt. Unterwegs, aber immer zurück nach Dortmund, auch wenn er keinen Patriotismus für die Stadt fühlt. Eine praktische Entscheidung, weil hier alle seine Freunde sind. Erst später zieht er in die Innenstadt und beginnt auch mal in Dortmunder Bars oder Clubs zu gehen. Aber es bleiben die Subkulturen, in denen er sich sichtlich wohler fühlt. 

Und dann kam Sierra Kidd 

Mit 15 Jahren fängt Felix also an, Musik zu machen. Ganz klassisch wird auf Beats gerappt, gefreestyled und es formt sich ein Kreis an Menschen, die dasselbe tun. Sein Bruder „Jalle“ gehört dazu. Dann nimmt er seine ersten Songs auf und veröffentlicht sie, nebenbei ist er auf Twitter aktiv. Nach dem Abi werden die Brüder da angeschrieben und gefragt, ob sie Bock haben, nach Köln ins Studio zu kommen. Dort treffen sie Rapper Sierra Kidd das erste Mal. Der findet Felikz’ Songs cool und so beginnen intensive gemeinsame Jahre. Im Studio helfen sie sich nachts beim Songs schreiben und dürfen als Voract von „Kidd“ mit auf Touren kommen. Felix erinnert sich daran, wie er einmal nachts angerufen wurde, um spontan nach Hamburg zu kommen, um Sierra Kidd dabei zu helfen, sein Album fertig zu machen. In der Nacht entstanden zehn Songs. Den Zug von Dortmund nach Hamburg haben sie ihm schon vor dem Anruf gebucht. 

In dieser Zeit wurden sie „unverschämt überbezahlt“ von Sierra Kidd und er ermutigte ihn und seine Freunde, ihre Musikkarriere anzugehen. Das scheint eine Stelle in Felix Leben zu sein, an der er sich allerdings aktiv dagegen entschieden hat, die Musik zu priorisieren. Stattdessen schließt er seine Ausbildung als Mediengestalter ab, macht danach einen Freiwilligendienst und fängt sein jetziges Sonderpädagogik-Studium in Dortmund an. Die Musik läuft nebenher und zwei Jahre lang kann er auch seine Miete allein davon zahlen.

Felikz hat an verschiedenen Projekten mit Rapper Sierra Kidd gearbeitet. Foto: David Peters.

Felikz‘ Entscheidung gegen die große Rap Karriere?  

Die Möglichkeiten scheinen ihm in den Schoß zu fallen und wenn es gerade passt, nimmt er sie mit. Über sein Glück ist Felix sich bewusst: „Deswegen gibt es da bestimmt irgendwelche Leute, die sich denken, was machst du da? Du hast da so eine tolle Gelegenheit und nutzt sie nicht. Das tut mir schrecklich leid für die, die davon träumen.“ Er konnte alle Privilegien des Rapper-Daseins kennenlernen und entscheidet sich aktuell dagegen, es hauptberuflich zu machen. Das würde nämlich komplettes Commitment bedeuten und Commitment für die Musik ist vor allem deshalb schwierig, weil Felix sich dann gegen seine anderen Interessen entscheiden müsste, wie zum Beispiel die Mode. Neben der Rap-Karriere wäre dafür dann nur noch wenig Zeit. Sich festlegen scheint gegen sein Naturell. Früher rappte er über Geld und Designerdrogen, gerade sind es andere Leidenschaften in seinem Leben, die ihn mehr erfüllen, auch die Arbeit mit Kindern. Denn bei ihnen weiß er, dass er gerade tatsächlich hilft.

Felix ist heute 26 und ist logischerweise nicht mehr der, der er mit 15 war. Da wo seine Musik sich sogar noch mehr wie Ami-Rap angehört hat. Zu dieser Zeit und auch in den Jahren danach hat er das Leben eines Rappers getestet. So richtig entschieden hat er sich immer noch nicht, muss er auch nicht. Jetzt studiert er und geht seinen Interessen nach, statt sich festzulegen. Und nebenbei bleibt die Musik ein stetiger Begleiter, die er machen kann, wenn er darauf Lust hat. Kurz nach unserem Gespräch bei Regen kündigt er auf Instagram eine neue EP an. Bei Felix bleibt das Gefühl, dass alles passieren kann, aber eben niemals muss.

Bock auf mehr STROBO? Lest hier: STROBO:Stimmen „Angstlandschaft“ von Calvin Kleemann

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