„Ich mache Kunst für alle“ – die digitale Künstlerin Vesela Stanoeva im Porträt

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Vesela Stanoeva ist digitale Künstlerin, Kuratorin, Szenografin und Dozentin. Sie gründete mit einer Kollegin das Kollektiv „Ruhrgebieterinnen“, um Frauen in der digitalen Kunstszene zu stärken. Ihre Installationen und Ausstellungen sind nicht nur zum Anschauen, sondern besonders zum Anfassen und Erleben gedacht. Vesela erzählt STROBO, was sie mit ihrer Kunst bewirken will.

Wer mit Vesela Stanoeva über ihre Projekte spricht, kommt nicht drum herum, von ihrer Leidenschaft für Kunst angesteckt zu werden. Die 33-Jährige ist eine aufgeweckte junge Frau, begeistert davon, Konzepte und Inszenierungen auf unterschiedlichste Art zu realisieren. Es wird schnell klar: Kunst ist nicht nur ihr Beruf, sondern ihre tiefe Passion. Und dieser widmet sie sich mit viel Herzblut und überraschenden Ideen.

Die gebürtige Bulgarin studierte in ihrem Heimatland Innenarchitektur. Ihre Dozent:innen waren selbst oft Künstler:innen. Deshalb machte sie schon sehr früh praktische Erfahrungen in den Bereichen Design und Recycling. Nach einem kurzen Studium des Studienganges „Design im Kontext“ in den Niederlanden kam sie nach Dortmund und machte ihren Master in „Szenografie“, der Inszenierung eines Raumes für Theater, Kunst und Film.  

Medienkunst und darstellende Künste vereinen 

Ihre Kunst besteht aus physischen sowie digitalen Installationen. Als selbstständige Künstlerin arbeitet sie vor allem im Museumskontext. „Ich bin gut in der Medienkunst vernetzt und will schauen, wie man Medienkunst und darstellende Künste zusammenbringen kann“, erklärt Vesela. Sie würde immer darauf achten, wie Geschichten multisensorisch und gleichzeitig multimedial erzählt werden können. 

Vesela Stanoeva betreute die Digital Art Stage bei den Ruhr Games. Foto: Lennart Neuhaus.

Ihre Inspiration gewinnt Vesela auf verschiedene Weisen: „Ich kaufe Sachbücher und lese nach dem Zufallsprinzip. Heißt, ich öffne einfach die Bücher und lese quer. Das gibt mir Inspiration.“ Es sei, als würde sie ihren Kopf leeren und bereit sein, einfach über neue Ideen zu stolpern, so Vesela. Die Themen Dystopie und Utopie, neue Welten und Digitalität spielen in ihrer Arbeit eine besondere Rolle. Sie setzt diese nicht nur selber um, sondern lehrt auch an der Fachhochschule Dortmund darüber und ist zusätzlich Mitarbeiterin der Akademie für Theater und Digitalität. 

Vesela Stanoeva: „Die Arbeit macht mich lebendig.“

Eine Fläche zur Verfügung gestellt zu bekommen und sie dann zu einem vorgegebenen Thema zu gestalten, bereitet ihr große Freude. „Die Arbeit macht mich lebendig“, sagt Vesela überzeugt. Künstlerische Freiheit und den roten Faden und die Geschichte einer Ausstellung zu entwickeln, bedeute ihr sehr viel, erklärt sie. Der Fokus ihrer Arbeit liegt darauf, dass Kunst erlebbar gemacht wird.

Trotzdem schätze sie, dass diese erlebbare Kunst auch immer tiefere Themen behandelt und Menschen dadurch die Möglichkeit haben, Zugang zu höherem Wissen zu erlangen. So besteht die Freiheit, dass sich bei einem Besuch tiefer mit den Aspekten einer Ausstellung auseinandergesetzt wird oder man auch einfach nur Spaß mit den Installationen hat, sagt die Künstlerin.  

Kunst, die die Sinne anregt 

„Für mich ist es besonders wichtig, dass in den Ausstellungen so viele Sinne wie möglich aktiviert werden. Ich will Räume gestalten, die lebendig und interaktiv sind“, erzählt Vesela. Die Möglichkeit, in die Kunstwerke einzutauchen, ist auch für Erwachsene eine besondere Erfahrung. Diese Immersion löse in Menschen ein ursprüngliches und wohliges Gefühl aus und brächte sie mit kindlichem Spiel wieder in Berührung, so die Künstlerin. 

Ein Blick auf die digitale Kunst von Vesela Stanoeva. Foto: Lennart Neuhaus.

Auch negative Empfindungen würden immer wieder auftauchen. „Es ist interessant, wie Szenografie und die Erlebnisse in den Ausstellungen die eigene Wahrnehmung verändern können“, bemerkt die Künstlerin. Deshalb arbeite sie gegen das typische White-Cubes-Konzept, also ein leerer weißer Raum, in dem Kunstwerke zum Betrachten ausgestellt werden. 

So bediente sie sich zum Beispiel als Szenografin für ein Projekt an den Grundlagen des Snoezelen-Konzepts, das oft bei Kindern auf dem Spektrum angewendet wird. Es fokussiert sich auf haptische Erfahrungen und das Entdecken von Räumen. Die Künstlerin entwickelte daraus die Idee, eine 300 Quadratmeter große Ausstellungsfläche mit weißen Zetteln auszuhängen, diese auszuleuchten und Gänge und Nischen dadurch zu kreieren, die Besucher:innen entdecken konnten. „Für mich bedeutet diese Art von Kunst, dass Träume lebendig und anfassbar werden”, erzählt Vesela, „es gibt keine klare Trennung zwischen Szenografie und Kunstwerk, sondern im Idealfall ist es alles eins.“ 

Frauen in digitaler Kunst stärken 

Medienkunst und Digitalität sei aber immer noch ein von Männern dominiertes Berufsfeld, erklärt die Künstlerin. Um Frauen zu stärken, mehr zusammenzuarbeiten, gemeinsam Verantwortung zu tragen, aber auch für die Zukunft etwas zu bewirken, gründete Vesela mit einer Kollegin das Kollektiv „Ruhrgebieterinnen“. Sie arbeiten gemeinsam besonders in dem Bereich der darstellenden Künste und Digitalität. So entwickelten sie beispielsweise für das Stadttheater Wiesbaden eine Animation für ein Theaterstück. 

Neben ihrer gemeinsamen Arbeit als Duo verbinden sie sich auch mit anderen Künstlerinnen. So arbeiteten sie vergangenen Herbst für eine Woche mit fünf weiteren Frauen im Kontext einer Kunstresidency zusammen. „Die Atmosphäre war so bestärkend”, erinnert sich Vesela. Die Erfahrungen, dass sie als Frauen oft unterschätzt werden und mit ähnlichen Vorurteilen konfrontiert werden, verbindet sie. „Manchmal kommen Männer auf uns zu und fragen, ob wir überhaupt wissen, was ein HDMI Kabel ist“, erzählt die Medienkünstlerin und lacht, „und dann antworten wir: ‚Ja, wir können sogar programmieren!‘“ 

Vesela Stanoeva auf der Digital Art Stage. Foto: Lennart Neuhaus.

Vesela Stanoeva bei den Ruhr Games 2023 

Die „Ruhrgebieterinnen“ wollen einen leichten und niederschwelligen Zugang zu Kunst ermöglichen. Kunst, die sich schnell verstehen lässt und auch Menschen begeistert, die sich sonst nicht so mit ihr auseinandersetzen. So entwickeln sie für die Ruhr Games im Juni 2023 in Duisburg eine interaktive Installation für die Digital Art Stage, die zu einem Kunst Erlebnis einlädt. 

Auf der Bühne befand sich eine aufgestellte sieben mal sieben Meter lange LED-Wand und eine genauso große Spiegelfläche auf dem Boden. Von einer Kamera wurden Körperdaten der Besucher:innen aufgenommen: Körpervolumen, Größe, aber auch Bewegungen und die verschiedenen Körperhaltungen. Diese Informationen werden durch eine Software verarbeitet, unmittelbar umgewandelt und als Bild auf die Fläche projiziert. Was technisch klingt, sieht wie ein großes, sich bewegendes Kunstwerk aus. „Jeder Mensch war eine einzelne Regenwolke an einem großen Himmel. Hob jemand beispielsweise seine Arme, fing sie auf dem Bildschirm sogar an zu regnen“, erklärt Vesela. 

Zeiten der Veränderung 

Die kommenden Monate werden Veselas berufliches Leben ein wenig verändern, denn sie bekommt bald ein Kind. „Mir tut es gut, ein bisschen zu reduzieren“, sagt sie. Sie habe die letzten Jahre sehr viel gearbeitet und sich in die Projekte investiert. Es wird deutlich, dass die Künstlerin nicht nur Kunst liebt, sondern lebt. Sie möchte Menschen eine Brücke schlagen und allen Alters- und Gesellschaftsschichten ein Erlebnis bereiten und gibt dafür sehr viel. Vesela erzählt, sie sei, wie die neue Lebenssituation sie und ihren Blick und ihre Kunst verändern wird. Eins ist sicher: Eine engagierte Künstlerin wird sie noch lange bleiben.

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