„Das ist Techno-Therapie“ – Gründer Dimitri Hegemann über den Tresor.West

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Ausstellungsraum, Techno-Club und neuer Knotenpunkt für die internationale Szene: Das alles soll der Tresor.West in Dortmund werden, der Ableger des legendären Berliner Tresors. Im Interview erzählt Gründer Dimitri Hegemann, wie er die Sperrstunde abgeschafft hat und wie er für Techno-Therapie sorgen will.

STROBO: Dimitri, du hast vor über 30 Jahren den Tresor in Berlin eröffnet, der West-Ableger ist 2019 in Dortmund entstanden und macht jetzt am Wochenende nach der coronabedingten Pause wieder auf. Wieso hast du dich für den Standort entschieden?

Dimitri Hegemann: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ich komme aus Westfalen und war damals unglücklich in meinem Heimatdorf Büderich bei Werl, weil es kein kulturelles Angebot für uns Jugendliche gab. Ich wollte irgendetwas machen und andere Wege gehen, habe aber in meiner Jugend immer nur ein “Nein” von den Entscheidern gehört. Deswegen bin ich dahin gegangen, wo ich etwas starten konnte. Ich bin aufgebrochen nach Berlin, um Musikwissenschaften zu studieren und habe dort später unter anderem den Tresor gegründet.

Ich wollte meiner Heimat aber immer etwas zurückgeben. Das habe ich vor über zehn Jahren schon einmal in meiner Heimatstadt Werl versucht, was aber an der dortigen Verwaltung gescheitert ist. Dann hat sich die Möglichkeit auf Phoenix-West ergeben und ich habe zugesagt.

Tresor.West in Dortmund: Partys ohne Sperrstunde

STROBO: Dabei ist der Standort ja nicht direkt im Dortmunder Stadtzentrum. Wieso war das Phoenix-West-Gelände für dich interessant?

Dimitri Hegemann: Mich hat die Umgebung gereizt, ich mochte das alte Stahlwerk und die Kellerräume der Phoenixhalle. Außerdem liegt unser Club im Außenbereich von Dortmund – das heißt, dass wir hier nicht stören. Wir sind schön abgeschirmt. Ab Herbst wird auch ein Nachtbus einmal die Stunde vom Tresor.West zum Hauptbahnhof und wieder zurück fahren, dann ist die Anbindung verbessert.

STROBO:Bevor du mit dem Tresor.West gestartet bist, hast du für einige Änderungen im Dortmunder Nachtleben gesorgt. Beispielsweise hast du dich für die Einführung eines Nachtbürgermeisters eingesetzt und die Sperrstunde in Dortmund aufheben lassen. Wieso war dir letzteres ein so großes Anliegen?

Dimitri Hegemann: Als ich nach Berlin gekommen bin, habe ich die Nacht für mich entdeckt und sie studiert. Ich fühlte mich wohl in der Dunkelheit, weil ich sie so nicht kannte – im Westen war immer schon um Mitternacht Schluss. In Berlin gab es schon seit 1949 aber keine Sperrstunde, hier war die Nacht jung, sie war nutzbar und von den jungen Menschen sehr gewünscht. In den Clubs entspringen morgens nach 3.30 die besten Ideen. Ich beobachte eine sehr kreative Phase in diesen Nachtstunden. Neue Konzepte werden diskutiert und viele in den folgenden Tagen umgesetzt. In der Nacht denkt man anders. Deswegen habe ich dafür gesorgt, dass wir jetzt auch in Dortmund keine Sperrstunde mehr haben.

STROBO: Wie können wir uns Partys im Tresor.West ohne Sperrstunden vorstellen?

Dimitri Hegemann: Unsere Partys laufen von Mitternacht bis 12 Uhr mittags – danach kann es im Garten weitergehen. So sind die Partys etwas offener. Wenn eine Party um 6 schon schliesst, stehen plötzlich 500 Personen irgendwo im Industriegebiet Phoenix auf der Straße und einige von ihnen kommen auf komische Ideen. Besser ist es, sie bleiben im Club und gehen, wann sie wollen.

Tresor.West: Mehr als ein klassischer Club

STROBO: Der Tresor.West soll nicht nur ein klassischer Club sein, sondern viele kulturelle Sparten vereinen. Was ist deine Vision?

Dimitri Hegemann: Der Tresor.West soll ein Kunstraum sein. Wir wollen die Brücke zur Kunst schlagen. Das bedeutet, dass wir die Räume vom Tresor unter der Woche auch als Galerie nutzen werden.

Wir haben Bogenfenster in dem Club, hinter die wir als Kunstschaufenster nutzen wollen, die Künstler:innen mit Licht- und Videokunst inszenieren können. Im Garten haben wir eine 80 Meter lange Plakatwand zur Straße geplant, an der junge Fotograf:innen ihre Arbeiten präsentieren können, z.B. aus der Folkwang Universität in Essen und wir wollen auch Skulpturen von Bildhauer:innen aus Düsseldorf ausstellen. Es ist auch geplant, dass wir im Garten Talkrunden präsentieren und Filme zeigen.

Ich möchte verschiedene Welten unter ein Dach bringen und damit eine Allianz der Kunstformen bilden. Dazu kommen die Themen Natur und Ernährung. Wir werden im Sommer im Gartenbereich mit einer Juice-Bar starten und auch gesundes Streetfood anbieten, also eine Techno-Therapy.  

STROBO: Du hast dem Deutschlandfunk bei der Eröffnung 2019 gesagt, dass du eine neue Clubkultur nach Dortmund bringen möchtest – wie soll die aussehen?

Dimitri Hegemann: Der Tresor.West hat eine Sonderstellung – solch einen klaren Konzept-Club gibt es in Dortmund noch nicht. Das kommt zunächst einmal durch die Raumgestaltung: Wir nutzen eine Industrieruine und gehen mit Licht, Ton und Akustik auf sie ein. Außerdem werden wir durch unser Booking einen internationalen Fokus auf Dortmund anschieben, der viele Künstler:innen anziehen wird – auch weil der Brand „Tresor“ in Berlin der älteste und mit der bekannteste Techno-Clubs weltweit ist. Darüber hinaus werden wir eine andere Empfangskultur an der Tür fahren und einen Fokus auf Vielfalt mit unseren Awarenessteams setzen.

Tresor.West als Sprungbrett für junge Künstler:innen

STROBO: Was genau werdet ihr anders machen?

Dimitri Hegemann: Unsere Begrüßungskultur ist freundlich und wir coachen unsere Mitarbeitenden permanent. Wir haben dafür Expert:innen engagiert, die unser Team alle zwei Wochen kontinuierlich schult, was Diversität und Awareness betrifft.

STROBO: Auf der Website vom Tresor.West schreibst du: „Dortmund wird in der internationalen Technoszene auffallen“ – wo siehst du den Tresor.West und Dortmund in fünf Jahren?

Dimitri Hegemann: Wie bereits gesagt wollen wir dafür sorgen, dass viele Künstler:innen und auch andere Menschen die Stadt wahrnehmen. Wenn das passiert, wird der Tresor.West ein Sprungbrett für junge Künstler:innen sein, die hier anfangen und dann ihren nächsten Gig in Berlin spielen. Wir werden da ein Austauschprogramm anbieten. Außerdem ist unser Ziel, dass die Kreativszene in Dortmund ein neues Zuhause findet.

In der Nähe von Phoenix-West stehen beispielsweise noch einige Häuser leer, da kann ich mir das gut vorstellen. Wenn wir einen guten Job machen, und die Verwaltung unsere Vision teilt, können wir eine Strahlkraft auf andere Clubs oder kreative Leute auslösen. Das heißt, dass dann Menschen unserem Beispiel folgen und es beispielsweise auch in Oberhausen und Castrop-Rauxel mehr kleine Events gibt. Und ich sehe auch, dass sich aus der lebendigen Clublandschaft eine Mikrokonjunktur entwickeln kann. Kleine Galerien, Cafés, vegane Restaurants, Hostels entstehen plötzlich, weil auch die Stadt offensiv mithilft, jungen Macher:innen bezahlbare Räume vermittelt für derartige Experimente. Das ist der Weg. Das ist mein Wunsch.

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Dieser Artikel wurde gefördert durch den Regionalverband Ruhr.

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