Ein Grenzgänger der freien Liebe: Don Juans Hangover am Bochumer Schauspielhaus

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Party, Drogen und sexuelle Ekstase: Don Juan ist ein Enthusiast der Clubkultur. Er lebt im Rausch flüchtiger Nächte. Aber was sind seine modernen Glaubenssätze? Jenseits der veralteten heteronormativen Narrative und christlichen Werte. Und wo trifft der Drang zur Freiheit auf seine Grenzen? Im Schauspielhaus Bochum nimmt Don Juan uns mit in seine Welt zwischen hemmungslosem Amüsement und gewissenlosem Taumel. 

Afterhour im Schauspielhaus Bochum. Der Abend ist lang und laut. Im Club drängen sich rauschsüchtige Nachtschwärmer:innen. Auch Don Juan, der sich von einer Liebelei zur nächsten hangelt. „Alle Schönen haben das Recht, mich zu bezaubern“, schreit er durch die Nacht. Nichts ist für ihn so schön, wie über den Widerstand einer schönen Person zu siegen. Er ist ein Feldherr der Liebe, der seine Opfer um den Verstand und ums Leben bringt. Die Stimmung ist ungetrübt, bis er sich an einem Jungen vergeht, der ernste Gefühle für ihn hegt. Sein Streben nach eigener Lustbefriedigung trifft auf die emotionale Grenze der anderen. Die Party ist vorbei. Don Juan, der sonst nur an das Vergnügen denkt, muss sich den Anklagen seiner Mitmenschen stellen. 

Das Stück Don Juan im Schauspielhaus Bochum. Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz.

Zwischen Emanzipation und Sünde

Radikale Freiheit und eigene sexuelle Selbstbestimmung werden gegen die christlichen Dogmen ausgespielt. Und umgekehrt. „Du schuldest mir einen Enkel. Dein Körper gehört mir“, heißt es auf der einen Seite. Die schwulen Untugenden werden angeprangert. Das Leben im Rausch gefällt dem christlichen Vater gar nicht. In der Abkehr vom homophoben Vater wird deutlich: Eine Emanzipation von christlichen Werten ist ein wichtiger Schritt zur eigenen Befreiung. 

Aber wo bleibt das Gebot der Nächstenliebe, wenn die Selbstgesetzgebung mit dem Streben nach dem individuellen Vorteil einhergeht? An welchen Werten orientieren wir uns, wenn die christlich tradierten Glaubenssätze wegfallen? Leben wir in einer Welt der Sünde?

Hier trifft das eine Extrem der streng christlichen Tugend, auf das andere, eines Lebens ohne Glauben und Werte. Gibt es nicht auch etwas dazwischen? Don Juan signalisiert: Eine Welt ohne die statischen Tugenden einer christlichen Leitkultur kann keine Welt gänzlich ohne Werte meinen. Es muss Möglichkeiten geben, mit den altbekannten Normen zu brechen, ohne dabei die Anarchie auszurufen.

Don Juan tanzt auf den Trümmern alter Glaubenssätze  

Mateusz Staniak, der dreiunddreißigjährige Regisseur, hat Mut zur Provokation. Er denkt in Extremen. Als Sympathisant:innen der gepflegten Clubkultur und von alternativen Konzepten der Liebe jenseits heteronormativer Konstruktionen müssen wir aushalten, dass Staniak den Liebhaber der Freiheit bis ins Selbstzerstörerische überspitzt. Und doch ermutigt er dazu, in einer Welt ohne statischen Glauben neue Regeln des Zusammenlebens zu finden.

Menschen wie Don Juan, die maßlos über die Strenge schlagen und sich rücksichtslos in den eigenen Trieben verlieren, werden auch jenseits des christlichen Glaubens verurteilt. Viel eher lassen sich gemeinverträglichere Formen der Freiheit finden. Don Juan tanzt in gewisser Maßen auf den Trümmern der katholischen Kirche. Aber die völlige Destruktion genormter Leitbilder und Werte regt zum konstruktiven Umdenken an. 

Staniaks Inszenierung von Don Juan arbeitet mit Extremen und Provokation. Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz.

Afterhour nach Afterhour 

Im Anschluss an die Vorstellung am Mittwoch, den 27.12. wird es im Oval Office des Bochumer Schauspielhaus’ einen Rave mit verschiedenen Künstler:innen des DJ-Zusammenschlusses Flinta* 4 Rave geben. Sets zwischen Techno und House, Jungle und DnB bis hin zu Funk und HipHop stehen auf dem Programm. Alle weiteren Infos erfahrt ihr beim Schauspielhaus Bochum.

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