Die Bochumer Band The Honeyclub bewegt sich musikalisch irgendwo zwischen Rock und Indie Pop – und spielt nach aufregenden Wochen ihren Tourabschluss im Rottstr 5 Theater. STROBO-Autor Leon Hüttel schaut hinter die Kulissen und erlebt mit den drei Freunden und Musikern einen Abend voller Begeisterung, Anspannung und Erleichterung.
Noch etwa dreieinhalb Minuten bis es für Alex, Lucas und Jonas von The Honeyclub losgeht. Bis sie in erwartungsvolle Gesichter blicken. Bis sie ein letztes Mal dieses Jahr ihre Songs spielen. Die Band gastiert im Rottstr 5 Theater in Bochum – eine recht versteckte Eventlocation unter einer Bahnbrücke. Vorbeigehende können kaum ahnen, dass sich hier hinter der schweren Eisentür ein einziger großer Raum mit einer Bar im Eingangsbereich verbirgt. Am Konzertabend steht ein rostiges Hinweisschild vor dem Theater. Große, ordentliche Druckbuchstaben, ausgezeichnet mit Kreide kündigen das Programm an: The Honeyclub mit Unterstützung von Dylan Cloud aus Barcelona und der Wiener Band Pannacotta.
The Honeyclub: „Raus auf die Bühne zu gehen, ist ein schönes Gefühl.“
Kurz vor ihrem Auftritt sitzen die Freunde im Backstage-Raum – sehr klein und chaotisch ist es hier. Ein Banner mit ihrem Schriftzug „The Honeyclub“ trennt diesen Teil vom Bühnenbereich. Überall fliegen Theater-Utensilien rum, an einem Spiegel auf der rechten Seite hängt eine Ziegenmaske. Die linke Wand ist komplett zugehängt mit bunten Kostümen. Es sind die letzten Eindrücke, bevor die Band die Bühne betritt. Hier wartet bereits das einfache Set-up der Band auf einem rot gemusterten alten Teppich. Mittlerweile hallt durch den gewölbten Raum der Opener-Song „Ghostriders in the Sky“ von Johnny Cash.
„Das ist so der Moment hinter der Bühne, bei dem wir richtig aufgeregt werden. Man weiß einfach, dass man gleich raus muss“, erzählt Jonas kurz vor dem Auftritt. Er spielt das Schlagzeug und wirkt vor Beginn des Gigs etwas müde. Die letzte Nacht ihrer Tour in Münster, scheint lang gewesen zu sein. Die Gefühlslage der Band wenige Sekunden vor dem Auftritt bleibt dem Publikum zwar verborgen. Aber Alex und Lucas necken ihn hin und wieder für seine Müdigkeit. Dass das Trio eine besondere Freundschaft verbindet, wird schnell deutlich. Wenn einer aufhört zu sprechen, führt jemand anderes den Gedanken weiter aus oder knüpft an. „Wenn ich den Song von Johnny Cash höre, komm ich in den Modus rein“, ergänzt Alex, der Bassist der Band. „Meistens verspüre ich aber viel Vorfreude. Raus auf die Bühne zu gehen, ist ein schönes Gefühl.“
Bloß kein Rock ’n’ Roll?
Jetzt dauert es nur noch eine halbe Minute, ehe das Trio die Bühne betritt. Und das zum letzten Mal auf ihrer „Imagine Life Tour“. Innerhalb der letzten zwei Wochen sind The Honeyclub von Hamburg über Wien nach Köln und Münster bis zu ihrem letzten Stopp getourt – dem Rottstr 5 Theater. Hier hatten sie vor vier Jahren ihren ersten Auftritt überhaupt als Band. Eine Art Full-Circle-Moment. Und ein Heimspiel. Die drei Freunde wohnen in Bochum und haben sich hier während der Schulzeit kennengelernt. Aus ihrer Freundschaft entwickelt sich 2019 ihre Band, in der die Mitte Zwanzigjährigen Elemente des Rock ’n’ Roll mit Indie Pop verschmelzen. Erfrischender Rock fürs Ruhrgebiet, ohne sich selbst zu sehr kategorisieren zu wollen.
Ungefähr 60 Leute stehen Schulter an Schulter im dunklen gewölbten Raum der Rottstr 5 und warten gebannt auf die jungen Talente. Vereinzelt werden noch Biere durch die Reihen gereicht. Auch auf den Plätzen der Band warten schon geöffnete Bierflaschen. Die Gäste im Raum werden ruhiger. Noch zehn Sekunden. Würde nun ein Zug über das Theater rollen, könnte man die Vibration im gesamten Raum spüren und hören. Aber als die Band ihr Banner hebt und die Bühne betritt, beginnt die Menge zu toben. Jetzt sind es also die Gäste, die für eine lebhafte Geräuschkulisse sorgen.
Direkt mit dem ersten Song wird deutlich – The Honeyclub hat sich in Bochum einen Namen als Rockband gemacht. Doch statt Lederjacke und Nieten tragen die drei Freunde lockere beige Cargohosen und schlichte weiße T-Shirts. Ihr typisches Bühnen-Outfit. Damit stellen sie sich bewusst gegen das typische Image von Rockstars. „Wir erleben bei uns im Sound und auch in der Denkweise einen Wandel und wollen uns von der Kategorie Rock ’n’ Roll eher lösen“, erklärt Schlagzeuger Jonas.
Internationaler Support für The Honeyclub
„Seid ihr gut drauf, Bochum?“, checkt Frontsänger Lucas den Vibe zu Beginn des Konzerts. Während die ersten Songs laufen, beginnen die Leute zu tanzen und mitzusingen. The Honeyclub schätzt ihr Publikum sehr, fast in jeder Stadt schwärmen sie von Groupies. „Man stellt sich natürlich trotzdem die Frage, ob genug Leute kommen und ob man uns in den Städten vielleicht kennt. So eine Tour haben wir noch nie gemacht“, erzählt die Band. „Es gab viele neue Städte wie Münster, Köln oder Wien, wo wir noch nie gespielt haben. Da wird man schon sehr nervös.“
Die Auswahl der Städte verlief relativ pragmatisch: „Wir haben einfach mal eine Landkarte genommen, einen Kreis drum gezogen und gesagt – die Städte liegen alle drauf, hier spielen wir. In Wien wollten wir spielen, weil wir da ein paar Connections haben.“ Bassist Alex spricht von der Band Pannacotta, die für den Abend in Bochum extra aus Wien angereist ist. Auch Dylan Cloud aus Barcelona hat sich die Chance nicht nehmen lassen, die Band als Voract zu unterstützen. Der gegenseitige Support ist allen wichtig. So wundert es nicht, dass Alex, Jonas und Lucas sich bei jedem Auftritt ihrer Voracts unter die Menge mischen, mitsingen und zwischendurch filmen.
„Wir sind eine Band, mit der ihr nach dem Auftritt ein Bier trinken könnt.”
Worauf The Honeyclub aber keine Lust hat: Social Media. „Ehrliche Antwort? Ich finde das zum Kotzen. Dauerhaft erreichbar und nahbarer sein wollen – wir sind dann nahbar, wenn man zu uns aufs Konzert kommt“, erzählt Alex. Während des Auftritts läuft er sogar kurz mit seiner weißen Gitarre kreuz und quer durchs Publikum. Die Menge jubelt ihm zu, die Grenze zwischen Künstler und Gast zerfließt. „Das ist genau das, was wir machen wollen – Musik zum Anfassen“, erklärt er später. „Wir sind eine Band, mit der ihr nach dem Auftritt ein Bier trinken könnt. Das wünschen wir uns sogar. Wir haben Bock auf die Leute und den Austausch.“ Dass so ein Konzertabend gerne mal in einer Bar ausklingt, wird in den Gesprächen öfter deutlich. Ein kleines Rock-’n’-Roll-Klischee stimmt also vielleicht doch.
Jonas betont außerdem: „Ich nehme von der Bühne aus wahr, dass die Leute singen, tanzen oder filmen. Das bringt mir viel Energie.“ Und tatsächlich. Während draußen kalter Wind bläst, ist das Publikum im Inneren der Rottstr 5 völlig aufgetaut. Vereinzelt bilden sich kleine Tanzgrüppchen. Ein paar der textsicheren Fans singen lauthals mit, andere versuchen es.
„Bochum, habt ihr Bock auf Rock ’n’ Roll?“, fragt Frontsänger Lucas die Crowd. Später erzählt er, dass solche Sätze einfach rauskommen, auch wenn sie sich nicht als klassische Rockband sehen. „In dem Moment klingt das einfach besser als ‚Habt ihr Bock auf Indie Pop‘“, erklärt er später. Hauptsache es macht Spaß und klingt gut. Vielleicht ist eine Kategorisierung einfach überflüssig. Denn die Band schafft es so oder so, die Masse mitzuziehen und auch bei melancholischeren Liedern zu fesseln. Als sie den Song „Fishes” spielen, verändert sich innerhalb weniger Sekunden die Atmosphäre im Raum. Menschen schließen ihre Augen, teilen Umarmungen, halten sich an den Händen. Zwei Freundinnen schießen ein Erinnerungsfoto.
Das Video zur Single „Fishes“ von der EP könnt hier auf YouTube sehen:
Mehr schön als schade
Ihren letzten Tour Abend wird das Trio sicherlich ebenfalls in guter Erinnerung halten. Während die Masse nach Zugabe ruft, reist das Trio die Hände in die Luft. Sie haben es geschafft. Ein kurzer melancholischer Moment, übertrumpft vom Klatschen der Masse. In dem Interview kurz nach ihrem Auftritt wirken die drei stolz, erleichtert und etwas angetrunken. „Es ist schade, dass es vorbei ist, aber schön, dass es hier vorbei ist. Ich bin stolz, dass unsere erste Tour einfach geklappt hat und jeder unserer Gigs erfolgreich war“, schwärmt Bassist Alex Minuten nach dem Konzert. Frontsänger Lucas wirkt genauso zufrieden und dankbar: „Am Ende ist die Freude das Wichtigste und die habe ich auf der Tour gespürt!“
Mit der Tour und den regelmäßigen Auftritten kommen auch einige Erkenntnisse, erzählt Schlagzeuger Jonas: „Das zeigt uns, an welchen Stellen wir uns musikalisch oder in der Performance noch ausprobieren können. Wenn man oft performt und vom Publikum immer eine Resonanz bekommt, merkt man schnell, was funktioniert und was nicht.“ Ihre noch unveröffentlichten Songs, die teilweise angespielt wurden, sind auf jeden Fall gut ankommen. Dennoch planen die drei erstmal keine neue Veröffentlichung. Eine weitere Tour können sich aber alle vorstellen.
Wenn sich alles lohnt
Langsam lehrt sich der gewölbte Theaterraum. Hier und da werden Flächen deutlich, an dessen Decke teilweise der Putz bröckelt. Schnell bauen Mitarbeiter:innen von der Rottstr 5 das Equipment ab. Für Bassist Alex ein komischer Moment: „Den Prozess des Abbauens während der Tour behalte ich wehmütig in Erinnerung. Man steckt so viel Energie in den Auftritt und dann baut man alles wieder ab. Es ist merkwürdig, aber nicht frustrierend.“
Der Abend selbst ist außerdem noch nicht vorbei. Wie schon angekündigt, will das Trio unbedingt noch weiterziehen mit ihren Fans und Freund:innen. „Wenn die Jungs ein Heimspiel haben, dann ist das immer totaler Abriss. Irgendwie auch wie eine Art Klassentreffen – man trifft immer total viele Leute, die man in Bochum sieht, als wäre man eine kleine Familie”, erzählt ein Gast mit kratziger Stimme wenige Momente nach dem Konzert. Ein anderer Gast verbindet mit der Band eine richtig gute Zeit: „Ich hab’ sie einen Sommer ultra oft gesehen und war mit auf Tour. Das sind alles richtig gute Jungs. Wenn die zu Hause spielen ist das etwas ganz Besonderes. Es gibt mittlerweile eine richtige Fan Crowd hier.”
So sehr die drei sich auf einen langen Abend freuen – „müde bin ich trotzdem“, stellt Schlagzeuger Jonas fest. „Du hast ja auch wenig geschlafen”, folgt Alex. So eine Tour kann eben sehr erschöpfend sein. Aber: „Wir sind nach jedem Gig von der Bühne gegangen und haben gesagt: ‚Das war echt richtig schön‘.“ Jeder der 2000 gefahrenen Kilometer der Tour hat sich für The Honeyclub also mehr als gelohnt.
Bock auf mehr STROBO? Lest hier: Über das Gefühl der Freiheit: Regisseur Patrick Büchting im Interview.