Clubs und Feiern: Warum ich endlich wieder rennen und was erleben will

Als der Dortmunder Technoclub Tresor West Ende 2019 eröffnet hat, dachte sich STROBO-Autor Lennart: „Das hat noch Zeit.“ Jetzt bereut er die verpasste Chance und wünscht sich, endlich wieder seine Jugend leben zu können. Ein Essay.

Endlich dachte ich, endlich haben wir es geschafft. Wir haben uns auf die Karte gesetzt, auf die Karte der angesagten deutschen Städte. Ich habe sie schon gesehen, die Artikel wie „Why Dortmund Hörde might be the new Kreuzberg“ von Buzzfeed oder „Techno culture is buzzin in this old industry area“ von Resident Advisor. Ich habe den Wochenendtourist:innen aus London gedanklich schon meinen „Cosy Room near Tresor“ auf Airbnb vermietet, und sammelte schon fleißig Tipps, die ich ihnen für die „perfect nightlife experience“ Dortmund mitgeben könnte. All diese Gedanken rasten mir durch den Kopf als ich erfuhr, dass Dortmund mit dem Tresor West einen Ableger des berühmten Technoclubs Tresor aus Berlin bekam. 

Doch nichts ist. Vermutlich kein:e Londoner:in hat den Tresor West, dessen Eröffnung so viel Euphorie in mir auslöste, bisher von innen gesehen. Und ich kann’s ihnen nicht verübeln. Nichtmal ich war bisher im Tresor West.

Ich dachte, der Tresor West rennt nicht weg. Ich dachte lange Abende mit Freund:innen und unbeschwerte Nächte rennen nicht weg.

Denn in den nur knapp zwei Monaten, die der Tresor West öffnen konnte, war meine akute Zeit knapp und meine zukünftige Zeit so unbeschrieben, dass sie potenziell durch jede Geschichte gefüllt werden konnte. Ich dachte, der Tresor West rennt nicht weg. Ich dachte lange Abende mit Freund:innen und unbeschwerte Nächte rennen nicht weg. Doch plötzlich tun sie genau das. 

Fragwürdige Blicke von meinem 14-jährigen Ich

Das ist zumindest das Gefühl, dass mich seit einem Jahr über die Pandemie begleitet. Ich habe das Gefühl meine Jugend aus den Augen zu verlieren. Sie rennt vor mir weg und ich kriege sie nicht eingeholt. Weil ich nicht renne, sondern sitze. Sehr viel sogar. Vor dem PC, in Zoom-Meetings, vor YouTube, vor meiner Playstation. Ich sitze so viel vor meiner Playstation, dass mich sogar mein 14-jähriges Ich fragwürdig angucken würde. 

Und da liegt das Problem. Ich will nicht sitzen. Ich will rennen. Meiner Jugend nicht hinterher, sondern ihr vorweg. Doch ich weiß nicht, wie ich das tun soll. Ich will rumfahren, neue Leute kennenlernen, Musik erleben, neue Orte sehen. Und die müssen nicht in Dubai oder auf Bali liegen, sondern die können auch 10 Minuten mit dem Regionalexpress entfernt sein. 

Ich bin in einem Jahr Pandemie gefühlt fünf gealtert.

Überall im Ruhrgebiet sind junge Leute, die genau das wollen, was ich will. Rennen. Überall dort sind Leute und Orte, die den jungen Leuten das Rennen ermöglichen wollen, die Mitrennen wollen, die Kultur schaffen und Kultur teilen wollen. Egal ob in der Rotunde in Bochum, im Hotel Shanghai in Essen oder eben im Tresor West in Dortmund. Es gibt eigentlich nicht leichteres, als spontan Freund:innen in anderen Ruhrgebiets-Städten zu besuchen oder gemeinsam mit ihnen diese zu erkunden. 

Nur eben nicht jetzt. Jetzt ist nichts spontan. Jetzt ist nichts leicht, nichts ungezwungen, nichts plötzlich. All das, was für mich jung sein auszeichnet, findet in der Pandemie nicht statt. Ich bin in einem Jahr Pandemie gefühlt fünf gealtert. Und wie das so ist, wird das mit dem Rennen im Alter immer schwerer. Weil ich merke, dass ich spießiger werde, dass ich ernster werde, dass ich mir plötzlich über alles Gedanken mache. Dass ich alles planen will, weil ich alles planen muss. Weil Spontanität scheinbar kein Faktor mehr in meinem Leben ist. Weil Freiheit, Erleben, Kultur, Abwechslung, all das, was jung sein auszeichnet, gerade einfach nicht geht. Und all das macht das Rennen so schwer.

Und ich weiß, dass das Meckern auf hohem Niveau ist. Und ich weiß, dass es Leute gibt, die ganz andere Situationen auszuhalten haben. Und ich weiß auch schlichtweg, dass es nicht anders geht. Aber wenn das alles überstanden ist, dann will ich rennen wie nie zuvor. Mit all den zusammen, die auch rennen wollen. Egal ob in Bochum, Essen oder Dortmund. Und hoffentlich auch irgendwann im Tresor West mit Londoner:innen, die ihre „perfect nightlife experience“ im Ruhrgebiet erleben.

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