„Wir sind die Kittball-Familie” – Das Dortmunder Label Kittball Records im Porträt

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Elektronische Musik ist so beliebt wie schon lange nicht mehr – auch im Ruhrgebiet. „Kittball Records“ hat sich vor 18 Jahren gegründet und ist einer der großen Tech-House Player. „Kittball-Mama” und DJ Juliet Sikora ist seit 2009 Teilhaberin des Labels, das sich mit seinen Releases und Veranstaltungen auch über das Ruhrgebiet hinaus einen Namen gemacht hat.

Es ist ein sonniger Sonntag Mitte Mai, einer der ersten richtig warmen Tage des Jahres. Die Sonne geht langsam unter und wirft ihr letztes Licht auf die Dachterrasse des Dortmunder U. Knapp 200 Menschen tanzen dicht gedrängt zur Musik, die vom DJ-Pult vorne durch die Lautsprecher die gesamte Terrasse überflutet. Von außen beobachtet wirkt es so als würde sich die Party gar nicht in Dortmund, oder im Ruhrpott generell, befinden – doch genau hier gehört diese Rooftop-Party hin. Denn veranstaltet wird sie von Kittball-Records, einem Label für House- und Techno-Musik, das seinen Sitz in Dortmund hat.

Hinter den Decks steht an diesem Tag auch Juliet Sikora – DJ, Produzentin und “Label-Mama” von Kittball. Seit 1999 legt sie auf, seit 2009 ist sie gleichberechtigte Teilhaberin des Labels, das 2005 von dem DJ-Duo Tube & Berger gegründet wurde. Heute ist sie hauptsächlich für das Label- und Eventmanagement zuständig. Zum Auflegen selbst kam sie damals durch einen Freund, zu Kittball schließlich durch Tube & Berger selbst, die sie durch das Auflegen kennengelernt hatte. 

Damit hat Juliet ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht – einfach war das aber trotzdem nicht immer, wie sie abseits der Plattendecks erzählt: „Jeder, der denkt, ein Label zu führen ist mal eben aus der Hüfte geschossen, dem kann ich sagen: Nein, so funktioniert das nicht. Es hat uns acht bis zehn Jahre gekostet, bis wir aus den roten Zahlen raus waren. Man muss wirklich Zeit und Geld investieren.” 

Kittball: Übers Ruhrgebiet hinaus bekannt

Trotzdem ist Kittball heute auch über die Grenzen des Ruhrgebiets und sogar Deutschlands hinaus eine wichtige Instanz in der elektronischen Musikszene: Mit Veranstaltungen wie den Rooftop-Sessions auf dem Dortmunder U, dem Day & Night Festival im JunkYard, Bühnen auf Festivals wie dem Docklands, Paluma oder seit über zehn Jahren dem JuicyBeats, DJ-Picknicks und Club-Events hat sich das Label über die Jahre einen Namen gemacht.

Eine der wichtigsten Aufgaben beim Label sei aber neben den Events noch immer die Suche nach neuer Musik: „Die Arbeit bei Kittball fängt damit an, Musik zu akquirieren, denn ohne Musik bist du kein Label”, erzählt Juliet, die viele auch unter dem Namen Katsi kennen. Dabei zählt für das Label vor allem die Qualität der Musik – und ob sie zum Stil von Kittball passt: „Wir geben auch Künstlern eine Chance, die noch keinen großen Namen haben, einfach weil sie gute Musik machen. Denn jeder, der gute Musik macht, sollte auch eine Plattform dafür bekommen, die Sachen zu veröffentlichen.“ 

Insgesamt haben schon etwa 600 verschiedene Künstler*innen Musik bei Kittball veröffentlicht, schätzt Juliet – und zwar aus den verschiedensten Musikrichtungen: „Wenn du dir unseren Katalog anguckst, ist da von Techno bis Deep-House alles dabei. Das ist einfach die Entwicklung, die Kittball durchgemacht hat.“ Trotzdem erkennt man einen klare Richtung, in die der Sound geht, wenn man sich die Releases des Labels anhört. Das ist auch Juliet wichtig: “Wenn wir uns für eine Richtung entschieden haben, sind wir da auch konstant. Wir wollen nicht zu viele unterschiedliche Musikstile in einer Phase, in der wir uns für einen Sound entschieden haben. Das ist auch schwer greifbar für unsere Fanbase.”

Nahbarkeit und familiäre Atmosphäre

Denn die hat sich das Label über die Jahre hart erarbeitet. Es gebe Gesichter, die sie auf jeder Veranstaltung wiedersieht, erzählt Juliet. Sie hat auch eine Vermutung, woran diese Treue liegen könnte: „Ich sage immer: Wir sind die Kittball-Familie. Wir sind sehr familiär untereinander. Und mich nennt man gerne die Kittball-Mama, weil ich mich um alles und alle kümmere. Und wir sind nahbar. Ich glaube, das sind die zwei großen Punkte, warum wir eine sehr treue Fanbase haben, gerade bei unseren Veranstaltungen.“ Das unterscheide Kittball auch von anderen Labels.

Diese Nahbarkeit spürt man auch auf dem Rooftop – viele bekannte Gesichter werden herzlich von den DJs begrüßt, es wird sich Zeit für Fotos und Gespräche genommen, die Atmosphäre wirkt freundschaftlich und einladend – auch wenn man zum ersten Mal dabei ist. „Ich finde, das ist eine Art Nahbarkeit, die du den Leuten auch geben solltest. Denn du darfst nicht vergessen, dass die am Ende des Tages deine Rechnungen bezahlen. Jede Person, die auf deine Veranstaltungen kommt, ist es wert, mit Respekt behandelt zu werden. Das sehe ich nicht nur für mich als Label-Mama, sondern auch für mich als Künstlerin”, erklärt Juliet ihr Verhalten. 

Was der 43-Jährigen vor allem in letzter Zeit auffällt, wenn sie vom DJ-Pult aus einen Blick ins Publikum wirft: „Mich überrascht immer wieder, wie viele junge Leute wir auf unseren Veranstaltungen haben. Denn das musst du erst mal schaffen: Diesen Generationswechsel mitzunehmen und immer wieder neue Leute für dich zu begeistern.“ Das sei allerdings nicht nur im Publikum wichtig – sondern auch im Label selbst: „Es findet gerade eine neue Bewegung in der Szene statt. Und das finde ich gut. Denn es müssen jüngere Menschen nachkommen, deshalb gucken wir ja nach jungen Künstlern, die wir an unser Label binden können.“

Auch auf dem Dortmunder U ist das Publikum gemischt: Von Menschen um die 20 bis hin zu treuen Fans jenseits der 40 ist jede Altersgruppe vertreten. Die Stimmung ist gut und die Sonne ist mittlerweile hinter den Häusern Dortmunds verschwunden, Juliet steht noch immer hinter dem DJ-Pult. Es ist schwer zu übersehen, dass das ihre Leidenschaft ist – eine Leidenschaft, die sie mit Kittball Records zu ihrem Beruf gemacht hat und damit bis heute nicht nur die Dortmunder Musikszene bereichert. 

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