WortLautRuhr: „Diese echte Reaktion auf der Bühne kann das Internet nicht ersetzen“

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Seit mehr als zehn Jahren ist WortLautRuhr eine der populärsten Adressen für Slams und Workshops im Pott. Im STROBO:Talk erzählen Leah Zymny und Zoë Hars warum die U20 Szene immer weiter wächst und warum die echte Bühne auch online nie zu toppen sein wird.

STROBO: Ihr als WortLautRuhr beschreibt euch selbst als Veranstaltungsagentur „aus der Szene für die Szene”. Was bedeutet das für euch genau?

Leah Zymny: Wir wollen nicht nur eine Veranstaltungsagentur sein, die Events plant und durchzieht. Es geht uns auch darum, eine Plattform für die Menschen aus der Poetry-Slam-Szene zu sein. Uns ist wichtig, dass das Miteinander über das Professionelle hinausgeht.

STROBO: Und wie setzt ihr das genau um?

Leah Zymny: Wir haben zum Beispiel einen sehr großen Jugendbereich. Dieser besteht nicht nur daraus, dass wir U20 Slams veranstalten. WortLautRuhr versucht ein großes Angebot für die jungen Menschen zu schaffen. So bieten wir zum Beispiel Schreibtische in verschiedenen Städten und durch Corona, leider unregelmäßig, auch online an.

Da treffen sich dann die Poetry-Slammer:innen und tauschen sich aus. Dann sind wir auch mal Kummerkasten für die Jugendlichen. Außerdem können wir Feedback zu ihren Texten geben. Darüber freut man sich einfach, wenn man bisher weniger Erfahrung hat. Fürs uns sollen unsere Veranstaltungen auch einfach ein Ort sein, wo sich alle aus der Szene wiedertreffen und sich wohlfühlen.

STROBO:Inside

WortLautRuhr ist mit über 150 Veranstaltungen im Jahr eine der populärsten Adressen für Slam im Ruhrgebiet. 2010 gründeten Chris Wawrzyniak und Sebastian 23 die Veranstaltungsagentur, nach erfolgreicher Austragung der deutschen Meisterschaften in Bochum. Anfang 2020 übernahm die ehemalige Azubine Leah Zymny als Geschäftsführerin. Die beiden Gründer bilden jedoch weiterhin zusammen mit  Leah Zymny, Zoë Hars, Yannick Steinkellner und Malte Küppers das Team rund um WortLautRuhr.

Der am schnellsten wachsende Bereich von WortLautRuhr ist die New Generation. Mit inzwischen über zehn regelmäßigen Poetry Slams und Schreibtreffen wird eine große Zahl von jungen Poet:innen gefördert.

STROBO: Nehmen viele Jugendliche eure Angebote wahr?

Leah Zymny:  Ja, unsere Workshops und Events kommen sehr gut an. Dazu kommt, dass wir im Ruhrgebiet die größte U20 Poetry-Slam-Szene im kompletten deutschsprachigen Raum haben. Klar, liegt es einerseits daran, dass hier so viele Menschen auf einem Haufen sind. Andererseits liegt es auch an unserer Förderung.

Dabei hat sich besonders die Arbeit mit den Jugendhäusern etabliert. Zusammen bieten wir Workshops an und so wächst dann die junge Szene. Am schönsten ist es, wenn wir zusammen zu Meisterschaften reisen und das Team aus dem Ruhrgebiet das größte ist. (lacht)

Zoë ist bei WortLautRuhr für PR& Kommunikation zuständig. Foto: Ole Meier.

STROBO:  Durch soziale Medien kann sich mittlerweile jede:r seine eigene Bühne schaffen. Warum glaubt ihr, ist das Interesse immer noch so groß, die eigenen Texte analog zu präsentieren?


 Zoë Hars:  Ich finde, das widerspricht sich doch überhaupt nicht. Gerade, weil man so viel im Internet unterwegs ist und da kein direktes Feedback bekommt, fehlt etwas. Da gibt es meistens nicht mehr als Likes oder aufploppende Emojis. Genau deshalb ist dieser Wunsch da, vor einem Publikum zu stehen, und die Reaktion auf der Bühne zu erleben. Das ist einfach etwas ganz anderes und viel aufregender.

Bei mir war das nicht anders. Ich war mit 15 auf einem Vorstadt Slam und habe den dritten oder vierten Platz gemacht. Danach war ich überzeugt, dass ich unbedingt weitermachen will, weil es so cool war auf der Bühne zustehen.

Leah Zymny: Der Applaus von den Menschen ist das besondere an den Auftritten. Ich weiß noch, wie wir im Sommer 2020 nach dem Corona-Frühjahr wieder Open Air Veranstaltungen gemacht haben. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es ist, dass Lachen und den Applaus von so vielen Menschen zu hören – und nicht nur von den drei Leuten hinter der Kamera. Diese echte Reaktion auf der Bühne kann das Internet nicht ersetzen.

Leah ist die Geschäftsführerin von WortLautRuhr. Foto: Ole Meier.

STROBO: Momentan läuft alles wieder digital. Welche Herausforderungen stellten sich online?

Leah Zymny: Uns war auch ganz schnell klar, dass wir während Corona über Slam hinaus denken müssen. Slam lebt vom Publikum und der Atmosphäre – und das hat man online einfach nicht. Daher zeigen wir jetzt zum Beispiel kurze Poetry Clips, ähnlich wie Musikvideos. Die würden sonst einfach untergehen und gar nicht laufen. Online funktionieren die dann wiederum total gut.

Dazu kommt, dass wir uns viel besser ausprobieren können, und gleichzeitig produzieren wir weiterhin Content. Unsere Fans bleiben so auch auf dem Laufenden. Das ist eigentlich eine ziemliche Win-Win-Situation.

STROBO:  Zoë, du kommst ja selbst aus der Poetry-Szene und bist dadurch auf WortLautRuhr aufmerksam geworden. Jetzt arbeitest du mit Leah für die Agentur. Haben viele bei euch auf der Bühne angefangen?

Z Hars: Viele aus unserem Team haben entweder selbst mal auf der Bühne gestanden oder auch sonst eine lange Vergangenheit mit Slam. Das ist dann total schön, dass sich das Hobby zum Beruf entwickelt hat. WortLautRuhr kannte ich schon zu meiner Zeit in Hamburg. Auch andere, die jetzt für die Agentur arbeiten, kommen gar nicht aus dem Ruhrgebiet.

STROBO: Leah, du bist dann schon fast die Ausnahme. Du standest im Gegensatz zu den meisten anderen nie auf der Bühne. Warum ist dir Slam trotzdem so wichtig?

Leah Zymny: Für mich ging es immer mehr um die Menschen und die Veranstaltung an sich. Seit über zehn Jahren, hänge ich Backstage oder im Publikum ab und bin irgendwie Teil der Szene – ohne auf der Bühne zu stehen. Das hat auch was damit zu tun, dass es egal ist, wer man ist oder woher man kommt oder was man kann, um zu der Szene dazuzugehören. Das finde ich unfassbar schön.

STROBO: Ihr betont oft, dass WortLautRuhr auch als Netzwerk und Plattform dienen soll. Wie wichtig ist es, dass es für die Poetry-Slam Szene eine Anlaufstelle gibt?

Leah Zymny: Ich glaube, dass das enorm wichtig ist, weil besonders große Städte und Firmen eine professionelle Kontaktperson brauchen. Da macht WortLautRuhr mit Website und Geschäftsstruktur schon was her. Natürlich wollen wir auch helfen und präsent für die Städte sein.

Z Hars: Für mich war es damals als Poetry Slammerin selbst total gut, dass ich nach dem Umzug wusste, an wen ich mich wenden kann. Durch WortLautRuhr wusste ich, dass es hier Menschen mit denselben Interessen gibt. Sowas kann dann auch mal einen Umzug erleichtern, wenn solche Institutionen so präsent sind.

FZW Slam Foto: Anna-Lisa Konrad

STROBO: Bei WortLautRuhr steht das Ruhr schon im Namen. Wie passen das Ruhrgebiet und Poetry Slam zusammen?

Leah Zymny: Ich glaube, das Ruhrgebiet begreift sich nicht in verschiedene kleine Szenen. Da gibt es nicht die eine Szene aus Bochum und die andere aus Dortmund. Das ist ein großes Miteinander hier und das macht auch das Ruhrgebiet aus.

Z Hars: Wir passen auch unser Programm nicht immer für die einzelnen Städte an. Denn dann kann man auch mal in Castrop-Rauxel bleiben und sieht das gleiche wie in Duisburg. WortLautRuhr repräsentiert das gesamte Ruhrgebiet.

Leah Zymny: Dazu muss ich aber sagen, dass Dortmund meine liebste Stadt ist, was Veranstaltungen angeht. Da ist der Bock auf Slam einfach so groß.

STROBO: Hamburg hat durch Kampf der Künste auch eine große Slam-Szene. Was zieht Künstler:innen gerade ins Ruhrgebiet?

Leah Zymny: Ich glaube, dass das Ruhrgebiet eine Vielfältigkeit bietet, die man in anderen
Ballungsgebieten nicht so leicht findet. Einerseits durch die wirklich große Anzahl an hier
lebenden Menschen, andererseits dann eben doch durch die ganzen verschiedenen Städte,
die so nah beieinander liegen, aber alle etwas eigenes haben. Die kurzen Wege überraschen
auch immer wieder unsere Künstlerinnen und Künstler, die von außerhalb kommen. Hier ist man dann mal in 10 Minuten mit der Bahn in einer anderen Stadt. Wo gibt es das sonst?

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